Wo Photovoltaik der Landwirtschaft doppelt nutzt
Wo kann man Solaranlagen auf Ackerflächen errichten, auf denen zugleich Nutzpflanzen angebaut werden? Das ist die Kernfrage einer Potenzialstudie, die das Institut für Zukunftsenergie und Stoffstromsysteme (IZES) im Auftrag des Teams Klimaschutz des Landkreises Marburg-Biedenkopf erstellt hat. Dabei geht es um die sogenannten Agri-PV-Anlagen, die landwirtschaftliche Produktion mit klimafreundlicher Stromerzeugung sowie Maßnahmen gegen die Folgen des Klimawandels kombinieren.
So können landwirtschaftliche Kulturen vor zu starker Sonneneinstrahlung, Hagel, Starkregen sowie Stürmen geschützt werden. Die kombinierte Nutzung bietet die Chance, Photovoltaik flächenschonend einzusetzen und die Landwirtschaft an die Folgen des Klimawandels anzupassen.
Die nun vorliegende Potenzialstudie, zu der eine Geoinformationssystem-Karte gehört, bietet einen Überblick über den aktuellen Technologiestand sowie die rechtlichen Rahmenbedingungen zur Errichtung von Agri-PV-Anlagen. Zudem werden die Potenziale zur Nutzung der Anlagen im Landkreis Marburg-Biedenkopf sowie die einzelnen Möglichkeiten dargestellt. Hierbei wird insbesondere auf eine hofnahe Nutzung des Stroms aus den Photovoltaik-Anlagen eingegangen. Gleichzeitig wurde für die Landwirtinnen und Landwirte ein Leitfaden zum Thema erarbeitet.
Zur Vorgehensweise
Die Grundlage zur Ermittlung der PV-Potenziale auf landwirtschaftlichen Flächen bildete ein sehr genaues digitales Landschaftsmodell (Basis-DLM). Die Geodaten enthalten Informationen über Größe und Flächenkategorie (Grünland oder Ackerland) einzelner Agrarflächen nach dem Fachschema des amtlichen Liegenschaftskataster-Informationssystems. Im Rahmen der Potenzialanalyse wurden die Agrarflächen gefunden, die für die Errichtung von Agri-PV-Anlagen infrage kommen. Dies betrifft 28.218 Hektar im Landkreisgebiet (Abbildung 1).
Zu diesem Zweck wurden die landwirtschaftlichen Flächen hinsichtlich technischer, wirtschaftlicher und rechtlicher Nutzungseinschränkungen untersucht. Dabei wurden Kriterien bestimmt, die eine Ausweisung von Flächen für Agri-PV-Anlagen ausschließen. Dazu gehören zum Beispiel Überschwemmungsgebiete, Waldsäume und Vogelschutzgebiete.
In der Bewertung der wirtschaftlichen Kriterien für Agri-PV-Anlagen wurde insbesondere die Mindestgröße der Flächen sowie die auf der Fläche maximal mögliche Anlagenleistung berücksichtigt. Dabei wurden Flächen, die eine Größe von weniger als einem Hektar aufweisen, sowie Flächen, auf denen die Errichtung einer PV-Anlage mit einer installierten Leistung von mindestens 100 kW nicht möglich sind, von der Betrachtung ausgeschlossen.
Kosten für eine Agri-PV-Anlage
Um eine Doppelnutzung der Flächen für Landwirtschaft und Stromerzeugung zu ermöglichen, müssen die Agri-PV-Anlagen sowohl zur Landmaschinenbewirtschaftung als auch zu den angebauten Kulturen passen. Zudem sind die Kosten für Agri-PV-Anlagen in der Regel maßgeblich von der Entfernung zum nächsten Netzanschlusspunkt oder Betriebsstandort abhängig. Diese Faktoren erfordern eine individuelle Betrachtung bei der Verwirklichung des Projekts.
Somit ähnelt die Kostenstruktur von Agri-PV-Anlagen der von herkömmlichen PV-Freiflächenanlagen. Aufgrund ihrer geringeren Aufstellungsdichte bringen Agri-PV-Anlagen niedrigere Stromerträge pro Flächeneinheit als herkömmliche Freiflächenanlagen. Dafür ist aber landwirtschaftliche Nutzung möglich, die weitere Einnahmen verspricht.
Für die landwirtschaftlichen Betriebe kann sich die Kostenstruktur durch die Einführung von Agri-PV-Anlagen ebenfalls verändern. Einerseits führt der Verlust an nutzbarer Landfläche zu einer Reduktion der für die Landwirtschaft verfügbaren Flächen. Andererseits können Agri-PV-Anlagen viele traditionelle Schutzmaßnahmen ersetzen, was zu signifikanten Kosteneinsparungen führen kann. Bei bestimmten Kulturen kann sich sogar der Ertrag durch den Schutz vor direkter oder zu langer Sonneneinstrahlung erhöhen. Welche Technologie konkret infrage kommt und wie die Agri-PV-Anlage aufgebaut werden soll, hängt maßgeblich von den folgenden Faktoren ab:
- den angebauten landwirtschaftlichen Kulturen
- der maschinellen Ausstattung des Betriebs
- dem Standort (Neigung, Klima, Verschattung usw.)
Hofnahe Nutzung des PV-Stroms
Agri-PV Anlagen eignen sich grundsätzlich sehr gut für den Eigenverbrauch. Je nach Lage des Betriebs und der PV-Anlage können hierzu auch schon kleinere Flächen genutzt werden, auch wenn die spezifischen Kosten der PV-Anlage bei kleineren Anlagen höher sind als bei Großanlagen im Megawatt-Bereich.
In unserer Region, die durch kleinere landwirtschaftliche Betriebe geprägt ist, ist die Nutzung von hofnahen Agri-PV-Anlagen besonders attraktiv, weil die Bundesregierung den Betrieb solcher Anlagen erleichtert. Um von den Vorteilen zu profitieren, wird eine direkte räumliche Nähe des Verbrauchers zur PV-Anlage vorausgesetzt.
Betriebe mit einem hohen Eigenverbrauch, der im Optimalfall an die Produktionskurve der Agri-PV angepasst ist, eignen sich in diesem Fall sehr gut für eine Eigenversorgung.