Inklusion
Die digitale Transformation erfasst alle Bereiche gesellschaftlicher Entwicklung, hat Auswirkungen auf alle Lebensphasen und verändert in zunehmendem Maße die Art und Weise, wie Menschen im beruflichen wie im privaten Alltag kommunizieren, zusammenarbeiten und zusammen leben.
Unbestritten bieten digitale Lösungen ein enormes Potential, den Zugang zu Informationen zu verbessern und die technischen Möglichkeiten zur Steigerung der Lebens-qualität zu nutzen.
Das Tempo, in dem digitale Lösungen entwickelt werden und immer neue Wirkungsfelder erschließen, ist beeindruckend und scheint stetig zuzunehmen. Die Faszination dieser Innovationskraft darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass Teilbereiche der Gesellschaft dieses Tempo nicht mitgehen können oder es bewusst nicht wollen.
Weil digitale Lösungen angesichts der rasanten Weiterentwicklung der Rahmenbedingungen oftmals schon überholt zu sein scheinen, bevor sie sich am Markt etablieren können, sehen sich die Entwickelnden einem großen Zeitdruck ausgesetzt. Das kann dazu führen, dass die Belange von den Teilen unserer Gesellschaft mit besonderen Unterstützungsbedarfen nur unzureichend berücksichtigt werden, weil die Entwicklung barrierefreier Lösungen oder die Einbeziehung von Nutzendengruppen mit besonderen Anforderungen in der Phase der Produkt-entwicklung regelmäßig Verzögerungen und Kostensteigerungen nach sich ziehen.
So entstehen neue Barrieren, die eine „digitale Spaltung“ der Gesellschaft zur Folge haben können. Neben vielen ehrenamtlichen Initiativen sind es insbesondere die öffentlichen Institutionen, die sich mit den Auswirkungen von Segregation und Polarisierung auseinandersetzen oder Unterstützungsangebote entwickeln müssen. Dies bindet erhebliche Ressourcen, die in ihrer Größenordnung ein Vielfaches der Aufwendungen bedeuten, die es benötigen würde, die Anforderungen aller Nutzergruppen von Beginn an einzubeziehen.
Barrierefreie Internetseiten und Apps sind daher von grundlegender Bedeutung für eine nachhaltige Digitalisierung. Sie umfassen beispielsweise einstellbare Schriftgrößen, vorlesbare Texte oder auch Videos mit Gebärdensprache. Sie sind darüber hinaus in möglichst einfacher Sprache gehalten, die wenige Fachbegriffe verwendet und automatisiert übersetzt werden kann. Sie zeigen auch Wege für einen “Spurwechsel” in ein analoges Verfahren bzw. einen persönlichen Ansprechpartner auf. Eine passende Bildsprache kann dabei unterstützen, die wesentlichen Inhalte zu betonen und Vorgänge anschaulich darzustellen. Ausgehend von den gesetzlichen Anforderungen werden daher Vorgaben für Projekte mit digitaler Interaktion entwickelt. Insbesondere Projekte, die inklusive Angebote für besonders herausgeforderte Zielgruppen entwickeln, werden unterstützt.
Fokussierung
Die Potenziale der Digitalisierung und Automatisierung von Fachverfahren in der öffentlichen Verwaltung in Bezug auf Wirtschaftlichkeit und Geschwindigkeit sind enorm, da nicht nur Verwaltungsmitarbeitende von Routinetätigkeiten entlastet, sondern auch Bearbeitungszeiten kürzer, planbarer sowie außerhalb der gewöhnlichen Arbeitszeiten möglich werden.
Die Digitalisierung verändert aber auch das Verhältnis von Verwaltungen als Anbietern von Services und Kund*innen als Nutzer*innen der verschiedenen Dienstleistungen grundlegend. Das trifft insbesondere auf solche Behördenkontakte zu, die kaum Beratungsanteil, sondern eher formellen Charakter haben.
Bislang sind es bei solchen Anlässen in der Regel die Sachbearbeitenden in den Verwaltungen, die mit ihrem umfassenden Wissen und Erfahrungen den Bürger*innen im persönlichen Kontakt entscheidende Hilfestellungen bei komplizierten Verfahrensabläufen oder komplexen Sachverhalten bieten.
Die meisten dieser Verwaltungsverfahren, Beratungs- und Aushandlungsprozesse haben sich inzwischen über Jahrzehnte entwickelt. Würde Digitalisierung lediglich als eine „Übersetzung“ dieser etablierten analogen Prozesse in ein digitales Format verstanden werden, wären die digitalen Lösungen für Menschen ohne Fachkenntnisse kaum zu nutzen.
Es gibt dafür verschiedene Beispiele, die entweder mangelnde Akzeptanz der neuen digitalen Angebote zur Folge haben oder – insbesondere dann, wenn keine analoge Alternative mehr zur neuen digitalen Lösung besteht – einen erheblichen Beratungs- und Unterstützungsaufwand nach sich ziehen und damit keine nachhaltige (entlastende) Wirkung entfalten.
Grundsätzlich ist dabei irrelevant, ob eine digitale Lösung für die unmittelbare Nutzung durch Bürgerinnen und Bürger oder ein Fachverfahren für die Nutzung durch Mitarbeitende der Verwaltungen entwickelt wird.
Bei allen digitalen Lösungen muss daher der Mensch im Mittelpunkt der Aktivitäten stehen, nicht die Technik. Wichtig ist, welche Anforderungen die Nutzenden an eine Anwendung oder eine Infrastruktur stellen. Dies kann durchaus zu komplexeren Herausforderungen für die Planung und technische Umsetzung führen und erfordert daher ein entsprechend qualifiziertes Prozessmanagement.
Befähigung
Insgesamt gibt es im Zuge der digitalen Transformation einen Trend zu einer stärkeren Kompetenzorientierung im Vergleich zur Fachlichkeit, auch wenn diese weiterhin wichtig bleibt. Denn Kompetenz ist die Befähigung und Bereitschaft, individuelles Wissen, individuelle Fähigkeiten und Qualifikationen sowie auch Werte und Einstellungen im Privatleben wie in der beruflichen Praxis in jeder Lage erfolgreich anzuwenden, einzubringen und zu teilen.
Die Einbeziehung der Nutzendenperspektive kann bereits bei der Erarbeitung einer digitalen Lösung zu einem Wissens- und Kompetenzaufbau der Beteiligten führen, so dass Schulungs- und Weiterbildungsbedarfe reduziert werden. Aber nur in den seltensten Fällen wird es möglich sein, alle Personen einer Zielgruppe in einen solchen Prozess einzubeziehen. Breite Akzeptanz und eine nachhaltige Nutzung der Angebote können nur dann erreicht werden, wenn Möglichkeiten zur Schulung und Weiterbildung für die jeweiligen Zielgruppen eröffnet werden.
Digital- und Medienkompetenz spielt außerdem nicht nur bei der Entwicklung und Einführung neuer Lösungen eine Rolle. Insbesondere für viele junge Menschen sind digitale Angebote keine neue Entwicklung mehr, sondern eine selbstverständliche Erfahrung, die sie bereits im Kindesalter machen. Vielfältige Diskussionen über Datenschutz und Persönlichkeitsrechte - beispielsweise zum Nutzungsverhalten von Jugendlichen in sozialen Netzwerken - zeigen, welche Verantwortung die Elterngeneration zur Vermittlung und Bewahrung von gesellschaftlichen Normen und Werten hat.
Die meisten der heutigen Eltern sind selbst bereits im Umfeld digitaler Medien aufgewachsen, die kritische Auseinandersetzung mit dem Nutzungsverhalten gewinnt aber erst seit wenigen Jahren zunehmend an Bedeutung. Daher sind auch im Bereich der Erwachsenenbildung im Zuge der digitalen Transformation Angebote zur Kompetenzvermittlung und Befähigung von großer Bedeutung. Die bestehenden Angebote der Kreisverwaltung und ihrer Kooperationspartner*innen werden daher ausgebaut und bekommen mit den digitalen Leitsätzen eine Orientierung für die Gestaltung und Themensetzung.
Die digital kompetente Behörde mit netzwerkaffinen, kommunikationsstarken und selbstorganisierten Mitarbeiter*innen wird sich nicht von allein einstellen. Auch mit den dringend notwendigen Personalgewinnungs-Offensiven der öffentlichen Hand wird der Kulturwandel nicht automatisch in die Verwaltung einziehen. Zum einen wird die Führungsmannschaft der Behörde bis 2030 nicht komplett neu rekrutiert, sondern sich auch aus dem bereits vorhandenen Personal zusammensetzen. Zum anderen bringt auch der junge, digital affine Nachwuchs, nicht alle Kompetenzen mit, die in der digitalen Verwaltung gebraucht werden.
Vereinbarkeit
Mit digitalen Technologien werden in allen medizinischen Bereichen – von der Vorbeugung über die Diagnose bis zu Behandlung, Nachsorge und den zugehörigen Verwaltungen – große Fortschritte erzielt. Neben diesen direkten Auswirkungen bestehen aber auch Zusammenhänge zwischen digitaler Transformation und Gesundheitsthemen, die eher indirekter Natur sind.
So werden im Zuge der digitalen Transformation neue Formen der Arbeit möglich. Schnelle und zuverlässige Internetverbindungen ermöglichen es, standortunabhängig auf Informationen und Fachanwendungen zuzugreifen. Im Jahr 2019 nutzen bereits rd. 10% der Mitarbeitenden der Kreisverwaltung die Möglichkeit der alternierenden Telearbeit und arbeiten tageweise von zu Hause aus. In vielen Fällen bedeutet das eine große Hilfe bei der Bewältigung von Pflege- und Betreuungssituationen. Zugleich werden dadurch aber auch neue Anforderungen an die Mitarbeitenden gestellt, beispielsweise durch die eigenverantwortliche Zeitplanung und den Umgang mit der scheinbaren Verfügbarkeit als Ansprechpartner*in im häuslichen Umfeld während der „Dienstzeit“ im heimischen Büro. Damit Digitalisierung an dieser Stelle tatsächlich zu einer Entlastung führt, ist eine kontinuierliche Begleitung, Evaluation und Diskussion der Erfahrungen mit neuen Arbeitsformen nötig.
Aber auch der klassische Büroarbeitsplatz verändert sich. Zunehmende Zeitanteile werden von Bildschirmarbeit eingenommen, die Ergonomie und technische Ausstattung der Arbeitsplätze sowie die Möglichkeit, angemessene Pausen bzw. eine regelmäßige Abwechslung von analoger und digitaler Arbeit zu ermöglichen, müssen bereits bei der Modellierung der neuen Arbeitsprozesse berücksichtigt werden. Die Erfahrungen, die in der Kreisverwaltung dabei gemacht werden, stellt sie anderen Kommunen und Arbeitgeber*innen zur Verfügung, damit sie darauf aufbauen und im Austausch darüber voneinander lernen können. Mit den Investitionen in die Infrastruktur fördert der Landkreis darüber hinaus aktiv die Rahmenbedingungen für die Möglichkeiten neuer Arbeitsformen.
Zudem entstehen gänzlich neue Formen von Arbeitsverhältnissen. Digitale Lösungen haben häufig Projektcharakter und werden oft von freiberuflich tätigen Menschen unterstützt, die immer seltener in einem klassischen Arbeitsverhältnis stehen und damit nur eingeschränkt von etablierten Strukturen zum Arbeitsschutz und sozialer Absicherung profitieren können. Die öffentliche Hand hat auch hier eine Verantwortung, sei es direkt als Auftraggeber oder indirekt in der Förderung entsprechender Diskurse.