Veranstaltungen im Jubiläumsjahr
Hier finden Sie die Veranstaltungen zum Jubiläum der Kreisverwaltung. Weitere Programmpunkte sind in Planung. Das Programm wird stetig aktualisiert.
Für Rückfragen oder zur Anmeldung weiterer Jubiläumsveranstaltungen schreiben Sie bitte an Frau Mariella Terzo: jubilaeummarburg-biedenkopfde
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Zur Geschichte des Landkreises
Einleitung
50 Jahre Landkreis Marburg-Biedenkopf. Das ist eine gute Gelegenheit, kurz innezuhalten und den Blick sowohl zurück, als auch nach vorne zu richten.
Die Bildung des Landkreises Marburg-Biedenkopf im Jahr 1974 im Zuge der Gebietsreform und der Zusammenschluss der ehemaligen Altkreise Marburg und Biedenkopf sowie der damaligen kreisfreien Stadt Marburg war ein Prozess, der sicherlich nicht von allen mit großer Zuneigung und Begeisterung aufgenommen wurde, zunächst eher ein Zweckbündnis als eine „Liebesheirat“.
So berichtete etwa die „Oberhessische Presse“ am 5. Juni 1973 unter dem Titel „Biedenkopf: Mehrheit gegen Gebietsreform“: „[…] 33 der 50 Gemeinden des Kreises Biedenkopf haben sich im Rahmen des Anhörungsverfahrens zur Gebietsreform in ihrer Stellungnahme gegen die geplante Kreisreform ausgesprochen. Lediglich drei Gemeinden stimmten dem vorgesehenen Zusammenschluß mit dem Kreis Marburg vorbehaltlos zu. […]“
Trotzdem haben sich die Menschen gefunden. Schritt für Schritt sind sie in den Städten und Gemeinden aufeinander zugegangen und haben gemeinsam das geschaffen, was heute Marburg-Biedenkopf ist. Eine Region, die Tradition und Moderne miteinander verzahnt und die auf geradem Kurs in Richtung Zukunft ist. Wirtschaft und Wissenschaft, Kultur und Technologie, Bildung und Brauchtum – Marburg-Biedenkopf bietet von allem und für alle etwas. Das ist das Verdienst der Menschen, die hier leben und arbeiten.
Schulpolitik, Klimaschutz und Erneuerbare Energie, Breitband, Bürgerbeteiligung, Digitalisierung, Kreisfinanzen, gute Zusammenarbeit in der kommunalen Familie mit den Städten und Gemeinden, Stärkung von Wirtschaft, Handel und Industrie, Gesundheitsversorgung, Sport- und Vereinsförderung, und vieles mehr – das sind und waren die Themen der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft.
Und immer wieder haben die Verantwortlichen in Wiesbaden und, zunächst in Bonn, und später in Berlin interessiert (und manchmal auch etwas neidisch) nach Marburg-Biedenkopf geblickt, wenn Zivilgesellschaft, Politik und Verwaltung das Rad der Zeit hier etwas schneller gedreht haben als anderswo.
So machte sich der Landkreis Marburg-Biedenkopf in den zurückliegenden fünf Jahrzehnten beispielsweise bei den Themen Förderung ausländischer Schulkinder sowie Aufwertung der Hauptschulen einen Namen. Als erster Landkreis in Hessen wurde in Marburg-Biedenkopf schon in den 1980er Jahren ein Umweltamt gebildet. Auch bei der Einrichtung von nahezu flächendeckenden Betreuungsangeboten für Grundschulkinder hatte Marburg-Biedenkopf früh die Nase vorn. Das Thema Klimaschutz wurde hier bereits aktiv und kreativ bearbeitet, als es andere noch belächelt haben. Der Anschluss an die Datenautobahn mit schnellem Internet wurde hier – gemeinsam mit den Städten und Gemeinden – angepackt und Marburg-Biedenkopf nahm hier bundesweit eine Vorreiterrolle ein. Auch wurde der Landkreis Marburg-Biedenkopf bundesweit zu einem Vorbild in Bereichen wie Bürgerbeteiligung, Nachhaltigkeit, Entwicklung des Radverkehrs, Digitalisierung, der Öffnung der Verwaltung für die Bürger, Ausbau der Kinderbetreuung oder Elektromobilität.
Ein Blick in die Vorgeschichte
Vielfalt im Fokus: Natur, Kultur und Historie in spannender Symbiose
Von Manuela Krämer
(Auszug aus der Chronik „50 Jahre Landkreis Marburg-Biedenkopf“, erschienen im Wikom-Media-Verlag)
Ein Landkreis entsteht nicht erst mit einer Gebietsreform. Jede Region hat ihre Eigenheiten. Die Region zeigt sich von der Natur unterschiedlich ausgestattet, historisch mehrfach getrennt und wieder „zusammengewürfelt“. Eine schlaglichtartige Spurensuche ...
Können Regionen mit großen historischen und naturräumlichen Unterschieden zusammenwachsen? Fragen wie diese stellen sich unweigerlich, wenn es darum geht, 50 Jahre Landkreisgeschichte zu umreißen. Der Menhir von Kirchhain-Langenstein gilt derzeit als ältestes Zeugnis der Geschichte im Landkreis. Bonifatius, der hier auf „Germanen-Missionierung“ ist, stellt den Stein im Jahre 723 ins Abseits, als er hier eine Kapelle errichtet. Noch heute trennt ein Luftspalt den „heidnischen“ Stein von der christlichen Kirchenmauer. Verbindend wirken eher die Menschen, die in einer Region heimisch werden, wenn sie zu einer Gemeinschaft zusammenwachsen.
Funde von Gegenständen belegen, dass auf dem Gebiet des heutigen Landkreises Marburg-Biedenkopf bereits in der Altsteinzeit, also vor etwa 38.000 Jahren, Menschen lebten. Die einstige Zollstädte Speckswinkel in Neustadt gilt als eine der ältesten Siedlungen in Hessen. Bei Aussagen wie diesen sollte jedoch bedacht werden, dass das heutige Hinterland archäologisch noch kaum untersucht ist. Auch das Lahntal bei Fronhausen ist sicher länger besiedelt, als es die gefundenen Hügel- und Keltengräber oder das Steinkammergrab bei Lohra belegen.
Auf dem Christenberg bei Münchhausen leben ebenfalls seit der Jungsteinzeit Menschen. Auch im Wohratal wird es lange vor der Ersterwähnung der Orte ab dem Jahr 780 n. Chr. Menschen gegeben haben.
Die frühe Besiedlung wundert kaum, denn der heutige Landkreis zeigt sich schon zu Urzeiten landschaftlich abwechslungsreich.
Inmitten dreier Mittelgebirgs-Landschaften verläuft hier eine geräumige Talsenke. Sie zieht sich vom Norden des Landkreises über die Wetschaft-Senke in den Gemeinden Münchhausen, Wetter und Lahntal, „überquert“ den Oberlauf der Lahn und geht westlich der Marburger Stadtteile in die Elnhausen-Michelbacher Senke über. Während die umgebenden Höhenzüge nahezu komplett bewaldet sind, ist diese riesige Senke fast waldfrei und wird schon sehr früh landwirtschaftlich genutzt. Im Süden bei Weimar und Fronhausen trifft die Senke auf das Gießener Becken und damit wieder auf die Lahn.
Die „Riesensenke“ trennt das Rheinische Schiefergebirge im westlichen Hinterland vom Berg- und Senkenland im Ostkreis.
Die höchste Erhebung des Landkreises befindet sich mit 674 Metern nördlich von Biedenkopf an der Sackpfeife. „An“, weil ihr Gipfel schon im Nachbarlandkreis liegt.
Schon in prähistorischer Zeit verlaufen hier Fern- und Verbindungswege „kreuz und quer“, die im Mittelalter ausgebaut und auch später rege genutzt werden.
Was die Wege vereinen, trennen des öfteren Herrschende und der Glaube. So gehören überwiegende Gebiete des heutigen Landkreises im Verlauf der Geschichte zur Landgrafschaft Hessen. Einige der heutigen Städte und Gemeinden, wie Marburg, Biedenkopf, Gladenbach, Kirchhain und Amöneburg, gehören zeitweise zum erzbischöflichen Kurfürstentum Mainz (780-1803).
Die Geburtsstunde Hessens wird von Historikern mit Elisabeth, der Witwe des thüringischen Landgrafen Ludwig IV., in Verbindung gebracht. Sie verlegt im Sommer 1228 ihre Residenz nach Marburg, das dann zum sakralen Zentrum des Hessenlandes avanciert, als nach Elisabeths Tod ein prominenter Pilger, Kaiser Friedrich II., ihr Grab besucht.
Eine prägende Modernisierung in der Verwaltung, der Bildung, Forschung und des Gesundheitswesens erfährt Hessen unter Landgraf Philipp dem Großmütigen, der hier im 16. Jahrhundert regiert. Er gründet 1527 die älteste Hochschule Hessens, die evangelische Universität Marburg.
Mit seinem Tode endet die Einheit des Landes, die Teilung in Hessen-Kassel und Hessen-Darmstadt beginnt. Es ist die Zeit, in der die Landheegen angelegt werden, hochmittelalterliche Grenzsicherungen der Landgrafschaft Hessen gegen die Grafen von Nassau. Im 17. Jahrhundert verschärft die konfessionelle Spaltung die Teilung Hessens. Unter der hessischen Landesteilung kommt der Raum Marburg zu Hessen-Kassel. Das Amt Biedenkopf gelangt mit anderen Ämtern des hessischen Hinterlandes zu Hessen-Darmstadt. Das kurmainzische Amöneburg kommt erst 1803 zu Hessen-Kassel. Manche Regionen, wie Marburg und Lahntal, gehören zeitweise zum Deutschen Ritterorden.
Bis zur Machtübernahme der Nationalsozialisten leben etwa 1.400 Juden im heutigen Landkreis. Nach 1933 sinkt ihre Zahl durch Wegzug, Emigration und Deportation gegen null.
Der weitaus größte Teil der Bevölkerung ist heute evangelisch geprägt.
Ein Landkreis entsteht
Aus drei wird eins
Von Manuela Krämer
(Auszug aus der Chronik „50 Jahre Landkreis Marburg-Biedenkopf“, erschienen im Wikom-Media-Verlag)
Zusammenwachsen ist schwer, wenn man sich nicht als Einheit sieht. In Marburg-Biedenkopf scheint dies rückblickend gelungen zu sein, auch oder gerade aufgrund der historischen und naturräumlichen Vielfalt. Das enorme ehrenamtliche Engagement gepaart mit findigem Unternehmergeist sprechen für sich.
Ziel einer kommunalen Gebietsreform ist es, die Leistungsfähigkeit der einzelnen Gemeinden auf allen Ebenen zu verbessern. Vor allem Kleinstgemeinden unter 300 Einwohnern, die keine hauptamtlichen Verwaltungsbeamten haben, will man stärken, indem sie in größere Einheiten eingliedert werden. Die Gebietsreformen in der Bundesrepublik Deutschland beginnen im April 1965 mit dem Bundesraumordnungsgesetz.
In Hessen wird die kommunale Gebietsreform in der Zeit zwischen 1970 und 1977 durchgeführt. In mehreren Phasen vollzieht sich die Reform auf der Gemeinde- und Kreisebene, so will es der Gesetzgeber. Einer ersten Phase, in der sich viele Gemeinden 1971 freiwillig zusammenschließen, folgt die zweite Phase der (zwangsweisen) gesetzlichen Neugliederung von 1972 bis 1977.
In Hessen „schrumpfen“ 2.642 Gemeinden zu 421 Gemeinden, verteilt auf 21 Landkreise, sowie fünf kreisfreie Städte. Hessen ist auch das Land mit der höchsten „Freiwilligenrate“.
Der Landkreis Marburg-Biedenkopf wird 1974 aus den beiden Altlandkreisen Marburg und Biedenkopf sowie aus der damals kreisfreien Stadt Marburg gebildet. In der Landtagsdrucksache 7/3836 vom 17.08.1973 heißt es:
„Zusammenschluss der Landkreise Biedenkopf und Marburg zu einem Landkreis mit dem Namen „Landkreis Marburg“ und dem Sitz der Kreisverwaltung in der Stadt Marburg (Lahn). Eingliederung der bisher kreisfreien Stadt Marburg (Lahn) in den neuen Landkreis Marburg. Auflösung kleinerer kreisangehöriger Gemeinden und Zusammenfassung zu neuen größeren Gemeinden oder Eingliederung in größere Gemeinden.“
In Oberasphe, heute ein Ortsteil der Gemeinde Münchhausen, wird mit durchaus harten Bandagen dagegen gekämpft, der Stadt Battenberg und dem Landkreis Waldeck-Frankenberg zugeordnet zu werden. Beamte werden beim Abholen der Gemeindeakten von Demonstrierenden eingekesselt, die Gemeindevertretung tritt geschlossen zurück. Auf Transparenten ist zu lesen „Wir werden nie Battenberger!!!“
Vollzogen wird der Zusammenschluss des neuen Landkreises dann mit In-Kraft-Treten der rechtlichen Änderungen zum 01.07.1974. Im Laufe der gesetzlichen Neugliederung beschließt man auch aus politischen Gründen nicht landschaftsbezogene Doppelnamen zu nutzen, somit wurde Landkreis Marburg-Biedenkopf als endgültige Bezeichnung gewählt.
Und das eben benannte Oberasphe wird dann als einziges hessisches Dorf entgegen der ursprünglichen Planungen nicht in den Nachbarlandkreis, sondern in den Landkreis Marburg-Biedenkopf und somit seinen Wunschlandkreis eingegliedert.
„Startschuss“ der hessischen Gebietsreform ist am 1. Juli 1970 im Altkreis Marburg, als aus dem Zusammenschluss von Halsdorf und Wohra die neue Gemeinde Wohratal entsteht. Was nun folgt, ist eine Vielzahl von nicht immer freiwilligen Gemeindefusionen. Von den 186 Gemeinden des Landkreises Marburg und den 66 Gemeinden des „Hinterlandkreises“ Biedenkopf verringert sich die Zahl auf insgesamt 22 Großgemeinden. Aus den Nachbarlandkreisen kommen Oberasphe in die Gemeinde Münchhausen und Mengsberg zur Stadt Neustadt hinzu.
Dafür gehen die Gemeinden Bischoffen, Niederweidbach, Oberweidbach, Roßbach, Roth, Simmersbach und Wilsbach an den neu entstehenden Lahn-Dill-Kreis. Schiffelbach wird nach Gemünden (Wohra) im Landkreis Waldeck-Frankenberg abgegeben.
Die Stadt Biedenkopf verliert ihren Status als Kreisstadt. Marburg verliert seine Kreisfreiheit und wird dafür zum Mittelpunkt des neuen Großlandkreises Marburg-Biedenkopf. Mit der Eingliederung von 13 Umlandgemeinden wächst die Universitätsstadt flächenmäßig um mehr als das Fünffache und hat heute über 77.000 Einwohnerinne n und Einwohner. 1979 erlangt Marburg als Stadt mit mehr als 50.000 Einwohnern einen Sonderstatus, der zu zusätzlichen Kompetenzen und dem Privileg führt, dass sie einen Oberbürgermeister und einen Bürgermeister ernennen darf. […]
1974 übernimmt kommissarisch zunächst der Landrat des ehemaligen Kreises Marburg, Dr. Burghard Vilmar (SPD), die Aufgabe im sich neu bildenden Großlandkreises. Er setzt grundlegende politische Entwicklungs- und Veränderungsprozesse nach der Gebietsreform um. Dank sozialpolitischer Maßnahmen und vielfältiger Initiativen beginnen sich die Lebensverhältnisse der Menschen im Kreis zu verbessern. Ferner werden hier vergleichsweise früh die Voraussetzungen unter anderem für die zukünftige Schulentwicklung im Landkreis geschaffen.
Von 1975 bis 1981 übernimmt Dr. Siegfried Sorge (Freie Wählergemeinschaft) das Amt. Der Jurist und ehemalige Landrat des Altkreises Biedenkopf stellt weitere entscheidende Weichen für den Landkreis. Unter Sorge werden die ländlichen Gemeinden konkret mit dem Bau von Dorfgemeinschaftshäusern gestärkt.
Ferner stellt Sorge innerhalb von zehn Wochen ein Schulbaunotprogramm auf, weil es einigen Schulen im Kreis damals an Räumen mangelt. Er bringt auch die europäischen Partnerschaften voran. Im Verlauf der 70er Jahre wird die Freundschaft zur Südtiroler Gemeinde Lüsen gestärkt. Die Landkreis-Partnerschaft mit dem englischen District Huntingdonshire entsteht.
Von seinem Nachfolger Dr. Christean Wagner wird ihm „ein hohes Maß an Energie und Phantasie“ aber auch gefürchtete Pünktlichkeit bescheinigt.
Ein Landkreis wächst zusammen
Höhen und Tiefen
Von Manuela Krämer
(Auszug aus der Chronik „50 Jahre Landkreis Marburg-Biedenkopf“, erschienen im Wikom-Media-Verlag)
Gemeinsam arbeitet man am Zusammenwachsen. Die Bildung wird ausgebaut, der Landkreis wird schon früh Vorreiter in Sachen Klimaschutz und Digitalisierung. Krisen schweißen zusammen, denn trotz Vielfalt hat man gemeinsame Ziele.
Im Jahre 1981 übernimmt nach Dr. Siegfried Sorge der ehemalige Erste Kreisbeigeordnete und Jurist Dr. Christean Wagner (CDU) das Amt des Landrats. Als erster hessischer Landrat führt er ein Umweltamt ein. Unter seiner Regie werden ausländische Schulkinder durch Maßnahmen zur Berufsvorbereitung und Sprachkursen bei der Volkshochschule gefördert. Die Sportförderung wird ebenfalls ausgebaut. Nach seiner Amtsperiode profitiert Marburg-Biedenkopf weiter vom persönlichen Interesse Wagners an der Entwicklung des ländlichen Raumes, denn Wagner wird Staatssekretär im Bundesumweltministerium. Danach vertritt er den Landkreis Marburg- Biedenkopf im hessischen Landtag und wird als Hessischer Kultusminister sowie als Justizminister tätig. In seiner Wiesbadener Zeit macht sich Dr. Christean Wagner unter anderem für die Realisierung der Zeiteninsel in Weimar-Argenstein stark. Bis zu seinem Ausscheiden im Jahre 2021 gehört er dem Kreistag des Landkreises Marburg-Biedenkopf 32 Jahre lang ehrenamtlich als Abgeordneter an.
Von 1985 bis 1996 leitet dann der Politikwissenschaftler Professor Dr. Kurt Kliem (SPD) elf Jahre lang die Geschicke des Landkreises. Insgesamt ist Kliem über 20 Jahre für den Landkreis Marburg-Biedenkopf aktiv, denn schon seit 1972 engagiert er sich bereits ehrenamtlich. Während seiner Amtszeit richtet der Kreis die Frauengleichstellungsstelle ein. Der Landkreis erneuert nach der Wiedervereinigung 1991 seine Partnerschaft zum Bezirk Berlin-Charlottenburg.
1993 entsteht der Perfstausee als wichtiges Hochwasserrückhaltebecken und mittlerweile beliebtes Ausflugsziel weit über die Region hinaus. Ferner realisiert der Kreis nun sein nahezu flächendeckendes Betreuungsangebot für Schulkinder.
Die nächsten 18 Jahre, von 1996 bis 2014, ist Robert Fischbach (CDU), als erster direkt gewählter Kandidat, Landrat. Unter dem Landwirtschaftsmeister und Züchter aus Gladenbach-Rüchenbach kommt der Klimaschutz auf die Agenda seines Heimatlandkreises samt Klimaschutzkonzept und dem weiteren Ziel, den Landkreis bis 2040 unabhängig von fossilen und atomaren Energieträgern zu machen.
Die Breitband Marburg-Biedenkopf GmbH wird gegründet, um die Digitalisierung voranzutreiben. Eine weitere Partnerschaft wird geschlossen. Dieses Mal mit dem polnischen Landkreis Kościerzyna. Unter Fischbach entsteht 2005 auch das KreisJobCenter (KJC). Von 2009 bis 2013 ist der Landrat auch Präsident des Hessischen Landkreistages, wo er sich weiter für den ländlichen Raum einsetzt.
Im Jahr 2014 bekommt der Landkreis seine erste Landrätin, Kirsten Fründt (SPD). Sie hat sie gleich mehrere Krisen zu bewältigen: das Fluchtgeschehen im Sommer 2015, die Corona-Pandemie ab 2020 und später ihre ganz persönliche Krise.
Fründt macht den Landkreis zu einem Vorbild der Bürgerinnen- und Bürgerbeteiligung, gelebte Nachhaltigkeit und für sinnvolle Digitalisierung. Gleichzeitig reduziert sie die Schulden und kann ausgeglichene Haushalte aufweisen mit teils deutlichen Überschüssen. Im Januar 2022 verstirbt die Landrätin an den Folgen eines Krebsleidens.
2022 wird Jens Womelsdorf (SPD) der Nachfolger von Kirsten Fründt. Der gebürtige Battenberger studiert, wie Kurt Kliem, Politikwissenschaften in Marburg. Unter dem heutigen Landrat werden Themen wie Digitalisierung sowie der Klima- und Umweltschutz vorangetrieben und ein besonderer Fokus auf Miteinander und Solidarität gelegt. Schließlich geht es um nichts Geringeres als die Weichen zu stellen, um das Leben, Arbeiten und Genießen in Marburg-Biedenkopf auch zukünftig gemeinsam attraktiv gestalten zu können.
Zahlen, Daten, Fakten
Unser Landkreis
Von Manuela Krämer
(Auszug aus der Chronik „50 Jahre Landkreis Marburg-Biedenkopf“, erschienen im Wikom-Media-Verlag)
Die Lahn zieht ihr blaues Band von Westen nach Südosten durch Marburg-Biedenkopf. Doch namensgebend für den neuen Kreis wird 1974 nicht der Fluss, sondern die beiden ehemaligen Kreisstädte der Altlandkreise, die hier zusammenkommen.
Aktuell leben im Landkreis rund 246.000 Menschen auf 1.262,37 Quadratkilometern. Die einwohnerstärkste Stadt ist die Kreis- und Universitätsstadt Marburg. Der Landkreis ist zusammengewachsen, gleichzeitig haben sich die Regionen auch nach 50 Jahren ihre Eigenständigkeit bewahrt.
Das Landratsamt sitzt in Marburg-Cappel, auch seine Außenstellen in Biedenkopf und Stadtallendorf sind gut erreichbar. Verbindend wirken die gemeinsamen Ziele. Touristisch ist man ein beliebter Wanderlandkreis geworden. Radwege werden gemeinsam mit den Nachbarlandkreisen und den Kommunen ausgebaut. Viele Landwirte und Manufakturen setzen auf Direktvermarktung. Die Wirtschaft genießt einen hohen Stellenwert in der Region und nicht wenige „Hidden Champions“ agieren weltweit erfolgreich von Marburg-Biedenkopf aus.
Handlungsalternativen aufzeigen und Mut machen, selbst aktiv zu werden, das sieht der Landkreis als seine Aufgabe. So unterstützt er und geht selbst mit gutem Beispiel voran, wie bei den Themen Klimaschutz und Digitalisierung. Ein gemeinsames Förderprogramm der Europäischen Union und dem Land Hessen ist LEADER, was aus dem Französischen übersetzt „Verbindung zwischen Aktionen zur Entwicklung der ländlichen Wirtschaft“ heißt. Von den 24 LEADER-Regionen in Hessen liegen drei – Marburger-Land, Burgwald-Ederbergland und Lahn-Dill-Bergland – im Landkreis.
Für gute Bildung und Ausbildung sorgen mehr als 100 staatliche und private Schulen im Landkreis. Über 60.000 Menschen engagieren sich ehrenamtlich, viele davon im Bereich Kultur und Soziales.
Um das Ehrenamt weiter zu stärken bieten Kreis und Freiwilligenagentur Unterstützung. Besonders vorbildliches Engagement wird unter anderem jährlich mit dem Sozialpreis geehrt und ausgezeichnet.
Einzigartige Einrichtungen, wie das bundesweite Blindenzentrum oder das Hessische Landestheater im eigenen Landkreis zu haben, sind nur zwei „Highlights“ von vielen. Nicht ganz „unschuldig“ daran ist die Marburger Universität, denn jedes Jahr beginnen gleich mehrere tausend junge Menschen ihr Studium hier. Viele von ihnen kommen erstmalig in den Landkreis, nicht wenige bleiben ihm auch nach ihrem Abschluss treu.
Spitzenreiter in Deutschland wird Marburg-Biedenkopf sogar auf medizinischem Gebiet. Zwar dreht sich vieles um die Universität und die ehemaligen Behringwerke in Marburg. Doch auch anderswo entsteht Großes, wie die „Neue Mitte Goßfelden“ in Lahntal als erstes Gesundheitszentrum in der Region.
Allein die enorme Vielfalt der evangelischen und katholischen Trachten vom Hinterland bis zum Marburger Land beweist, dass trotz aller Innovationslust auch das Brauchtum sehr gepflegt wird. Besondere Traditionen, wie der Grenzgang, erfreuen sich großer Beliebtheit. Der Gladenbacher Kirschenmarkt zieht als eines der größten Volksfeste der Region jährlich mehr als 100.000 Gäste an, und seit über fünfhundert Jahren findet das älteste Volksfest von Marburg-Biedenkopf, die Trinitatis-Kirmes in Neustadt statt.
Zahlen, Daten, Fakten
Fläche: 1.262,37 Quadratkilometer
Landwirtschaftsfläche: 43,3 Prozent
Waldfläche: 40,9 Prozent
Wasserfläche: 1,1 Prozent
Gebäude- und Freifläche: 6,5 Prozent
Verkehrsfläche: 6,4 Prozent
Flächen anderer Nutzung: 0,5 Prozent
Erholungsfläche: 0,7 Prozent
Betriebsfläche: 0,5 Prozent
Höchste Erhebung: Sackpfeife nördlich von Biedenkopf (674 Meter), wobei die Spitze der Sackpfeife außerhalb des Landkreises liegt.
Tiefster Punkt: 168 Meter – bei Sichertshausen an der Lahn
Flüsse im Landkreis: Lahn, Ohm, Salzböde, Perf, Dautphe, Wetschaft, Wohra, Allna, Zwester
Lufttemperatur im Mittel: 6 bis 7 Grad Celsius im Hinterland, 8 bis 9 Grad Celsius im Raum Marburg
Niederschlag im Jahresmittel: 850 bis 1.000 mm im Hinterland, 600 bis 700 mm im Raum Marburg
Verkehr:
Straßennetz (Stand: 28.09.2022):
Kreisstraßen: 368 km
Landesstraßen: 370 km
Bundesstraßen: 214 km
Kraftfahrzeuge (Stand: 27.09.2022):
KFZ gesamt: 204.306
Pkw: 144.920
Motorräder: 14.437
Lkw: 8.597
Tourismus (Stand: 31.12.2021):
Prädikatsorte: 7
davon Heilbad: 1
davon Luftkurort: 1
davon Erholungsort: 5
Hotels/Pensionen: 103
Bettenkapazität: 4.401
Übernachtungen: 436.277
Qualitätswanderwege: ca. 538 km
Radroutennetz: ca. 550 km
Partnerschaften
Der Landkreis Marburg-Biedenkopf unterhält offizielle Partnerschaften mit dem Berliner Stadtbezirk Charlottenburg-Wilmersdorf, dem Landkreis Kościerzyna in Polen und dem District Huntingdonshire in Großbritannien (dieser Partnerschaft ruht, da es den ursprünglichen District aufgrund einer Verwaltungsreform in Großbritannien in dieser Form nicht mehr gibt).
Darüber hinaus bestehen freundschaftliche Kontakte mit den deutschen Landkreisen Rendsburg-Eckernförde (Schleswig-Holstein), Nordsachsen (Sachsen) und dem Wartburgkreis (Thüringen) sowie mit der Gemeinde Lüsen (Südtirol/Italien).
Das Wappen
Für sein Wappen, das 1975 entsteht, übernimmt der neu gebildete Landkreis Marburg-Biedenkopf formal die Hoheitszeichen des Altkreises Marburg. Um das Wappen des Altkreises Biedenkopf ebenfalls zu repräsentieren, wird der Kopf des hessischen Löwen detaillierter ausgestaltet. So hält der golden gekrönte und bewehrte hessische Löwe auf blauem Grund einen silbernen Schild mit durchgehendem schwarzem Kreuz in seinen Pranken. Das Tier ist neunmal von Silber und Rot geteilt. Der hessische Löwe steht für die Nachfolgestaaten der vormaligen Landgrafschaft Hessen, weil zu ihnen das überwiegende Kreisgebiet gehört. Das Kreuz ist Symbol für den Deutschen Ritterorden, der in Marburg zeitweise eine bedeutende Niederlassung samt zahlreichen Ländereien besitzt.
Aufgaben der Verwaltung
Die Aufgaben der Kreisverwaltung reichen von „A“ wie Altenhilfe bis „Z“ wie Zulassungsstelle. Dazu gehören unter anderem die Schulträgerschaft, die Gesundheitsaufsicht und der Bereich Sozialhilfe. Erfüllt werden diese Aufgaben von den Fachbereichen, Stabsstellen, Fachdiensten und Eigenbetrieben der Verwaltung. 2005 ist das KreisJobCenter als neues Aufgabengebiet hinzugekommen.
Das Landratsamt als Behörde des Landes (früher etwa Veterinäramt oder Zulassungsstelle) existiert nur noch in wenigen Bereichen (z.B. Kommunalaufsicht). Personal und Aufgaben des Landratsamts sind 2005 im Rahmen der Kommunalisierung in die Zuständigkeit des Kreisausschusses übergegangen.
Politische Gremien
Oberstes Gremium des Landkreises ist der aus 81 Abgeordneten bestehende Kreistag. Er wurde zuletzt im März 2021 neu gewählt. Aufgabe des Kreistages ist es, die grundsätzlichen Entscheidungen zu treffen sowie den Kreisausschuss und die Kreisverwaltung zu kontrollieren. Zu seiner Unterstützung und zur Vorbereitung der Beschlüsse wählt der Kreistag sechs Fachausschüsse, die aus jeweils 16 Kreistagsabgeordneten bestehen. Die Zusammensetzung der Ausschüsse erfolgt entsprechend der Stärke der Fraktionen im Kreistag.
Der Kreisausschuss ist das Entscheidungsgremium der laufenden Geschäfte der Verwaltung. Er bereitet Beschlüsse des Kreistages vor und bildet Kommissionen zur Erledigung vorübergehender oder bestimmter Aufgaben. Er besteht aus 17 ehrenamtlichen Kreisbeigeordneten sowie den zwei hauptamtlichen Mitgliedern. Der Kreistag wählt die ehrenamtlichen Mitglieder.
Der Landrat und der Erste Kreisbeigeordnete bilden den hauptamtlichen Kreisausschuss. Sie sind jeweils für ein Dezernat der Kreisverwaltung zuständig. Ein Dezernat besteht aus mehreren Fachbereichen oder Stabsstellen, die wiederum in verschiedene Fachdienste untergliedert sind. Jens Womelsdorf (SPD) ist der direkt gewählte Landrat seit 1. Juli 2022. Marian Zachow (CDU) ist der vom Kreistag gewählte Erste Kreisbeigeordnete seit 12. Juni 2014.