Der Umgang mit der nationalsozialistischen Geschichte
Nicht immer ganz so einfach, ist der Umgang mit der Geschichte von 1933 bis 1945, denn die Geschichte dieser Region hatte auch extreme Schattenseiten. So befand sich zum Beispiel ein Außenkommando des Konzentrationslagers Buchenwald in der Nähe des heutigen Stadtallendorf.
Wie geht man mit dieser Geschichte um?
Gemeinsam mit dem Land Hessen und der Stadt Stadtallendorf beteiligt sich der Landkreis an dem Dokumentations- und Informationszentrum (kurz DIZ) in Stadtallendorf. Dort wird vor allem durch Vorträge und Führungen über die NS-Geschichte Stadtallendorfs und der Region mit dem besonderen Schwerpunkt des Einsatzes von Zwangsarbeitern in den damaligen Rüstungsfabriken informiert. Die Entwicklung Allendorfs wird zudem von der Weimarer Zeit bis in die 50er Jahre dokumentiert. Außerdem werden Wechselausstellungen, Vorträge und Filme zu verschiedenen zeitgeschichtlichen Themen angeboten (Info: 06428 / 707424). Das DIZ möchte vor allem Vereine, Verbände und Gruppen aus den verschiedensten Bereichen sowie Einzelpersonen ansprechen.
Vor den Toren der heutigen Stadt Stadtallendorf befand sich damals das Außenkommando des KZ Buchenwald, das Lager Münchmühle. Um Allendorf herum gab es mehrere Lager, in denen Tausende von Kriegsgefangenen, zivilen Zwangsarbeitern, Dienstverpflichteten, Strafgefangenen und KZ-Häftlingen untergebracht waren. Im Lager Münchmühle waren eintausend Frauen aus Ungarn eingesperrt; die meisten von ihnen waren jüdischen Glaubens. Sie wurden in Ausschwitz für die Zwangsarbeit in einer der beiden Allendorfer Sprengstoffbetriebe, der Dynamit-Nobel AG, „selektiert“.
Die tausend Frauen mussten in den Rüstungsfabriken arbeiten. Wegen des Kontaktes mit dem Sprengstoff änderten sich Haut- und Haarfarbe. Die Frauen wurden deshalb auch „die gelben Frauen“ genannt.
In Erinnerung an das Schicksal dieser Menschen und als Mahnmal für nachfolgende Generationen wurde die Gedenkstätte vom Landkreis Marburg-Biedenkopf in enger Abstimmung mit den Gremien der Stadt Stadtallendorf erbaut. Das Aufsuchen der Gedenkstätte vermittelt dem Besucher das sehr beklemmende Gefühl des Eingesperrt-seins hinter dem Zaun.
Die Stadt Stadtallendorf pflegt den Kontakt mit den überlebenden Ungarinnen und hat auch schon Treffen mit ihnen organisiert. Unter dem Motto „Das Geheimnis der Versöhnung heißt Erinnerung“ fand 1990 eine große Zusammenkunft mit Überlebenden des Lagers Münchmühle statt.
Wie überall in Deutschland, so wurden auch in den ehemaligen Landkreisen Biedenkopf und Marburg Synagogen zerstört. Die inzwischen im Besitz des Landkreises befindliche Synagoge in Weimar-Roth wurde sehr behutsam restauriert. Es geschah so, dass sowohl die teils fragmentarischen Originalbemalungen zu sehen sind als auch die Zerstörungen (wie etwa Axthiebe an der Empore) sowie die teilweise erfolgte Umnutzung (anhand der Ausbesserungen).
Diese Synagoge ist eine Stätte des Erinnerns und Gedenkens. Im Beisein von Überlebenden des Holocaust würdigte zur Wiedereröffnung im März 1998 der damalige Kasseler Bischof, Prof. Dr. Christian Zippert, das 140-jährige Bauwerk als „Stätte der Erinnerung um der Zukunft willen“ und als Ort der Versöhnung. In diesem Sinne gedachten Schülerinnen und Schüler mit brennenden Kerzen der 43 vom Nazi-Regime in Konzentrationslagern ermordeten Juden aus Roth, Fronhausen und Lohra. Das seit 1933 verwaiste Gotteshaus der jüdischen Glaubensgemeinschaft in Roth wurde als ein Denkmal wieder hergestellt, mit dem an die damalige Vertreibung und Ermordung der Juden erinnert werden soll.
Der Kreisausschuss hatte mit der Übernahme des Denkmals 1996 die Sanierungsarbeiten voran getrieben, jedoch nur gemeinsam mit dem Land.
In Hessen und in der Gemeinde Weimar konnte das Projekt realisiert werden. 145.000 DM brachte der Kreis selbst auf, das Land Hessen steuerte 125.000 DM bei und die Gemeinde Weimar 60.000 DM.
Das Bauwerk wird als Gedenkstätte, als Lernort für Schülerinnen und Schüler, für Vorträge, Lesungen und kleine Ausstellungen genutzt. Landesrabbiner Chaim Lipschitz hofft außerdem darauf, dass eines Tages auch wieder Gottestdienste in der Synagoge stattfinden. Daher brachte er bei der Eröffnung eine Mesusa, eine Schriftrolle mit alttestamentarischen Textstellen, an der Eingangstür des Gebäudes an.
Mit dem „Arbeitskreis Landsynagoge Roth“ hat sich erfreulicherweise ein Verein gefunden, der die Veranstaltungen und Führungen organisiert.
Im Umgang mit der „schwierigen Geschichte“ in dieser Region wird einerseits versucht, sehr behutsam mit den Zeugnissen und Dokumenten umzugehen, andererseits wird das Thema keineswegs ausgespart, sondern intensiv behandelt. Der Kreis hat Projekte in diesem Bereich finanziell, ideell und personell unterstützt. Sowohl von Seiten des Kreises und der Kommunen als auch von Vereinen, Gruppen und Initiativen wie zum Beispiel der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit oder der Geschichtswerkstatt in Marburg wird dafür Sorge getragen, dass nicht vergessen wird, denn „das Geheimnis der Versöhnung heißt Erinnerung“. Diese Beispiele zeigen, dass man sich dem schwierigen Thema durchaus stellen kann.
Literaturauswahl
- Händler-Lachmann, Barbara / Ulrich Schütt: "Purim, Purim, ihr liebe Leut, wißt ihr, was Purim bedeut?" Jüdisches Leben im Landkreis Marburg im 20. Jahrhundert.
- Dies.: "Unbekannt verzogen" oder "weggemacht". Schicksale der Juden im alten Landkreis Marburg 1939-1945. Marburg 1992.
- Klewitz, Bernd: Die Münchmühle. Außenkommando des Konzentrationslagers Buchenwald, Marburg 1988.
- Kreisausschuss Marburg-Biedenkopf: Die ehemaligen jüdischen Synagogen im Landkreis Marburg-Biedenkopf, Marburg 1999.
- Magistrat der Stadt Stadtallendorf (Hrsg.): Katalog zur Dauerausstellung im DIZ Stadtallendorf, bearb. von Brinkmann-Frisch, Fritz. Fulda, 1994.
- Spier-Cohen, Gisela: Aus den Erinnerungen an Kindheit und Konzentrationslager, hrsg. von der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit, Marburg 1994.
- Zippert, Christian: Erinnerung um der Zukunft willen, hrsg. vom Kreisausschuss Marburg-Biedenkopf, - Kulturamt, Marburg 1998.
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