Marburg-Biedenkopf – Mit einer feierlichen Kreistagssitzung haben Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Verwaltung und Gesellschaft an die Gründung des Landkreises Marburg-Biedenkopf am 1. Juli 1974, also vor 50 Jahren, erinnert. Rück- und Ausblicke sowie die Würdigung der Männer und Frauen der „ersten Stunde“ standen im Mittelpunkt der Veranstaltung, die mit rund 200 Gästen im Sitzungssaal des Marburger Landratsamtes stattfand.
Landrat Jens Womelsdorf und der Kreistagsvorsitzende Detlef Ruffert begrüßten als Ehrengäste unter anderem Bundes- und Landtagsabgeordnete, den Regierungspräsidenten Dr. Christoph Ullrich, den Präsidenten des Hessischen Landkreistages Wolfgang Schuster, Bürgermeister Dr. Jens Ried als Sprecher der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister im Kreis, Marburgs Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies, die ehemaligen Landräte Prof. Dr. Kurt Kliem und Robert Fischbach, zahlreiche Vertreterinnen und Vertreter der Kommunen sowie Mitglieder des Kreistages.
Zu den Ehrengästen gehörten außerdem einige Mitglieder des ersten Kreistages von 1974. Auch Vertreterinnen und Vertreter der Partnerregionen waren der Einladung gefolgt: die Bürgermeisterin der Gemeinde Lüsen in Südtirol, Carmen Plaseller, sowie der Landrat des polnischen Kreises Kościerzyna, Grzegorz Zabrocki, der dortige Kreistagsvorsitzende Marcin Modrzejewski und die Büroleiterin Monika Wollik-Litwin.
Der Kreistagsvorsitzende Detlef Ruffert ging auf die Arbeit des Kreistages in den zurückliegenden fünf Jahrzehnten ein und präsentierte, neben einigen Anekdoten, auch interessante Zahlen, Daten und Fakten aus der Geschichte des Kreistages, dem er „gemeinsame und erfolgreiche Arbeit“ für die Menschen im Landkreis attestierte und der das „lebendige und diskussionsfreudige“ oberste politische Gremium des Kreises sei. So seien 1974 von 81 Kreistagsmitgliedern nur fünf Frauen gewesen, heute hingegen verzeichne der Kreistag 32 Frauen als Abgeordnete. Auch habe der Kreistag 1974 nur aus drei Fraktionen bestanden: SPD, CDU und FDP. Heute wiederum seien im Kreistag neun Parteien oder Wählergruppierungen vertreten, was neue Impulse in die politischen Debatten brächte, aber auch herausfordernd sein könne.
Regierungspräsident Dr. Christoph Ullrich betonte, dass das 50-jährige Bestehen des Kreises auch fünf Jahrzehnte beeindruckender Geschichte von Fortschritt und Zusammenhalt in der Region seien. Er verwies auf die Stärken des Kreises Marburg-Biedenkopf als Bildungs- und Wirtschaftsregion: „Hier gibt es eine einmalige Bildungsdichte und gleichzeitig tolle Unternehmen, die weltweit unterwegs sind!“ Er dankte dem Landrat für die enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit.
Wolfgang Schuster, Präsident des Hessischen Landkreistages und scheidender Landrat des benachbarten Lahn-Dill-Kreises bekräftigte, dass die Menschen, um die es bei der Arbeit des Kreises gehe, in den Städten und Gemeinden lebten. Er dankte den ehrenamtlichen Kommunalpolitikern, die in den Kreistagen Politik für die Menschen machen.
Dr. Jens Ried, Bürgermeister der Gemeinde Cölbe und Sprecher der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister im Kreis, betonte, dass die Vielfalt der Kommunen, der Wirtschaft und der Kultur den Landkreis lebendig machten. „Die kommunale Verbundenheit macht uns einzeln und auch gemeinsam stärker“, stellte Ried fest. Gemeinsame Projekte zwischen den Kommunen und dem Landkreis, etwa die Breitband-Versorgung, die Wirtschaftsförderungsgesellschaft oder, ganz aktuell, das Konzept zur mobilen Löschwasserversorgung seien gute Beispiele dafür. „Wir können auf das gemeinsam Erreichte stolz sein“, stellte Ried fest.
Marburgs Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies bezeichnete Marburg-Biedenkopf als Landkreis „in den besten Jahren“. Die Stadt Marburg habe das „traumatische Erlebnis“, im Zuge der Gebietsreform 1974 den Status einer kreisfreien Stadt verloren zu haben, mittlerweile überwunden. Er freue sich, dass die Universitätsstadt und der Landkreis so eng zusammenwirken. „Keiner von beiden kann ohne den anderen existieren – es geht nur gemeinsam“, sagte Spies.
Grzegorz Zabrocki, Landrat des polnischen Partnerkreises Kościerzyna, überbrachte die Grüße und Glückwünsche aller Partner-Regionen des Kreises Marburg-Biedenkopf. Er unterstrich, dass die Partnerschaft zu Marburg-Biedenkopf mehr als nur eine formelle Beziehung sei. Auch er betonte, dass man heute nur gemeinsam stark sein könne. „Der Krieg in Europa erinnert uns daran, wie wichtig es ist, Partnerschaften zu haben, zu pflegen und zu leben“, so sein Fazit.
Prof. Dr. Sabine Mecking von der Marburger Philipps-Universität ordnete in ihrem Vortrag die Gründung des Landkreises Marburg-Biedenkopf 1974 in einen bundes- und landesweiten Kontext ein und lieferte so interessante geschichtliche Hintergrund-Informationen. Unter anderem, dass in Hessen aus fast 2.700 Gemeinden dann 432 wurden.
Landrat Jens Womelsdorf bekräftigte in seiner Rede, dass die Kreisverwaltung in den vergangenen 50 Jahren eine verlässliche Partnerin und ein Stabilitätsanker in herausfordernden Zeiten gewesen sei und dies auch bleiben werde. Er stellte fest, dass die Herausforderungen nicht vor der Kreisgrenze halt machen würden – dies habe die Vergangenheit gezeigt. „Bei all diesen Krisen und Herausforderungen, die lokal wirken aber globale Ursachen haben, konnte die Kreisverwaltung mit motivierten Mitarbeitenden ihr Service- und Dienstleistungsniveau halten, sich weiterentwickeln und als bürgerfreundliche Verwaltung präsentieren. Die Mitarbeitenden der Kreisverwaltung arbeiten eben nicht für den Ertrag einer Aktiengesellschaft oder eines Unternehmens, sie haben die Ehre und die Verpflichtung, für die Bürgerinnen und Bürger des Landkreises, für unser gemeinsames Lebensumfeld zu arbeiten“, unterstrich der Landrat.
Dabei sei die Verwaltung auch Teil einer funktionierenden Demokratie und eines funktionierenden Staates. Gerade die Wahrung und Sicherung der Demokratie sei für ihn ein zentrales Thema. „Parteipolitische Neutralität in meiner Amtsführung bedeutet nicht, neutral zuzuschauen, wenn die Feinde unserer liberalen Demokratie versuchen, diese zu zerstören. Ich werde mich in Wort und Tat den Feinden unserer Demokratie entgegenstellen. Hier darf niemand mit meiner Neutralität rechnen“, versprach er. Die repräsentative Demokratie, geboren nach der größten Katastrophe des 20. Jahrhunderts, müsse auch im 21. Jahrhundert verteidigt und wertgeschätzt werden. Es lohne sich, für sie einzustehen – auch hier vor Ort, wo die Menschen Politik und Demokratie unmittelbar erlebten, so Womelsdorf.
Er wünsche sich, so der Landrat abschließend, weniger Krisen auf der Welt. Er sei aber „realistischer Optimist“ und halte daher dieses Szenario für wenig wahrscheinlich. „Gleichwohl ist mir vor der Zukunft nicht bange, wenn ich sehe, was wir als Kreisgesellschaft insgesamt geleistet haben“, unterstrich Womelsdorf.
Den musikalischen Rahmen der feierlichen Sitzung bildete das Streichquartett der Philipps-Philharmonie mit Werken von Jenner, Haydn und Mozart.