Marburg-Biedenkopf – Alte Obstbäume können, wenn sie fachgerecht gepflegt werden, einen wichtigen Beitrag zum Naturschutz leisten. Denn in den Höhlungen der Bäume finden Arten wie der Steinkauz, Fledermäuse aber auch Hornissen ein Zuhause. Deshalb lässt der Landschaftspflegeverband (LPV) Marburg-Biedenkopf e.V. gemeinsam mit Partnerinnen und Partnern insgesamt 30 alte Obstbäume an einem Wanderweg westlich von Neustadt-Momberg langfristig pflegen.
Dabei arbeitet der Verband bei der Planung und Organisation mit der Stadt Neustadt als Eigentümerin der Fläche und der Unteren Naturschutzbehörde des Landkreises zusammen, um die notwendigen Arbeiten fachlich abzustimmen. Die Umwelt- und Naturschutzgruppe Momberg ist ebenfalls Teil der Zusammenarbeit, Streuobstflächen zu erhalten und zu pflegen ist ein Schwerpunkt der Vereinsarbeit. Marius Ramb hat dem LPV die Obstbaumreihe stellvertretend für die Gruppe vorgestellt und um Unterstützung bei der Pflege gebeten.
Über die notwendigen Schritte waren sich alle Beteiligten schnell einig: Die Obstbäume sollen zunächst von den Gehölzen anderer Bäume und Sträucher befreit werden. Denn werden die Äste von beispielsweise jungen Eichen, Haseln und Schlehen, die entlang des Wanderweges ebenfalls zu finden sind, nicht zurückgeschnitten, können die Obstbäume zuwachsen. Die weitere Pflege der Obstbäume würde damit behindert oder sogar unmöglich werden. Um langfristig bestehen zu können, sind Obstbäume daher auf eine regelmäßige Pflege durch Rückschnitte angewiesen. Diese verhindern, dass sie zusammenbrechen und schließlich absterben und fördern gleichzeitig ihren Ertrag.
Hinzu kommt: „Streuobstwiesen, -reihen und -alleen sind nicht nur aus Sicht des Naturschutzes sinnvoll, sondern auch kulturhistorische und landschaftsprägende Elemente. Die Pflege der alten Obstbäume liegt uns daher besonders am Herzen“, betonen Jaqueline Bienhaus vom LVP und Katharina Franziska Hof, Fachfrau für Naturschutz beim Kreis. Zumal Streuobstbestände mittlerweile als stark gefährdet gelten und damit wertvolle Lebensräume für Tiere wegfallen. Das liegt neben dem Klimawandel auch daran, dass die Nutzung von Streuobstwiesen und -reihen aufgegeben wird und die Bäume somit überaltern und schließlich zusammenbrechen.
Traditionell wurden und werden Obstbaumreihen wie in Momberg in der Nähe von Städten und Dörfern angelegt und sorgen damit auch für eine attraktive Landschaft und einen Wiedererkennungswert. Seit zehn Jahren bewirtschaftet und pflegt die Umwelt- und Naturschutzgruppe Momberg alte Streuobstwiesen und -reihen wie diese mit teilweise 80 Jahre alten Obstbäumen. Darüber hinaus hat sie zwei neue Streuobstwiesen angelegt, wobei der Schwerpunkt auf Pflanzungen von alten historischen und bewährten Sorten liegt. Somit dienen diese Pflanzungen auch dem Sortenerhalt. Die langfristige Pflege der Fläche ist auch schon gesichert: Laut Marius Ramb werden dort Schafe weiden und damit die Gräser und Pflanzen auf natürliche Weise kurzhalten. Auch neue Obstbäume sollen gepflanzt werden.
Von Beginn an ein ganzheitlicher Ansatz
Seit dem Start der Arbeiten im Dezember 2023 wurden bereits 13 Obstbäume von Gehölzen freigestellt. Ausgeführt hat die Arbeiten ein beauftragtes Unternehmen für Landschaftspflege. Die Gehölze wurden dabei bodennah abgesägt, das anfallende Schnittgut gehäckselt und zum Bioenergiedorf Mengsberg zur thermischen Verwertung gebracht, also verbrannt, um Heiz-Wärme zu erzeugen.
Das Schnittgut, das bei den weiteren Gehölzpflege-Arbeiten anfällt, soll ebenfalls entsprechend genutzt werden. „Besonders freut uns die gute und unkomplizierte Zusammenarbeit aller Beteiligten und der ganzheitliche Ansatz: Von Anfang an war uns wichtig, dass das anfallende Schnittgut nicht entsorgt, sondern verwertet wird“, betont Judith Ziemek, Geschäftsführerin des Landschaftspflegeverbandes.
Die Umsetzung der Pflegearbeiten ist bis Ende 2028 vorgesehen. Der Rückschnitt der Bäume erfolgt über mehrere Jahre, da auch die darunterliegenden Heckenstrukturen eine Bedeutung für den Artenschutz haben. Würde die gesamte Reihe auf einmal von den darunterliegenden Gehölzen befreien werden, wäre dies eine zu abrupte Änderung in der Landschaft. Die Kosten des Projekts werden schätzungsweise rund 12.300 Euro betragen.
Hintergrund: Geld aus Ersatzzahlungen ermöglicht Umsetzung des Projekts
Neben circa 2.400 Euro, die der LPV beisteuert, werden die übrigen 9.900 Euro über ein sogenanntes naturschutzrechtliches Ersatzgeld gedeckt. Solche Ersatzzahlungen werden von der Unteren Naturschutzbehörde des Landkreises eingenommen und sind immer dann zu leisten, wenn Beeinträchtigungen auf Natur und Landschaft, beispielsweise wegen Bauarbeiten, nicht durch entsprechende Naturschutzmaßnahmen oder Ökopunkte ausgeglichen werden können. Die Zahlungen werden durch das Land Hessen verwaltet und können von der Unteren Naturschutzbehörde für Projekte wie eben die Wiederherstellung einer Obstbaumreihe bereitgestellt werden.
Fördermöglichkeiten des Landkreises
Das Projekt „Streuobstwiese“ kann kostenintensiv werden. Deshalb bietet der Landkreis verschiedene Fördermöglichkeiten. Eine Förderung ist jedoch nur möglich, wenn keine rechtliche Verpflichtung für die Pflanzung und Pflege einer Streuobstweise beispielsweise als Kompensation für Beeinträchtigungen der Natur an anderer Stelle besteht. Ansprechpartner für Fördermöglichkeiten sind Michael Zerbe (HALM und Kelterwiesenprojekt, E-Mail: ZerbeMmarburg-biedenkopfde) und Dr. Sabine Wamser (Streuobstwiesenförderung der Unteren Naturschutzbehörde sowie Ausgleichsmaßnahmen und „Ökokonto“, E-Mail: WamserSmarburg-biedenkopfde). Weitere Informationen finden sich auch in der Broschüre „Streuobst in Marburg-Biedenkopf“, online verfügbar unter www.lpv-mr-bid.de.