Marburg-Biedenkopf – Die Straßenverkehrsordnung (StVO) legt einen immer größeren Fokus auf den Schutz des Radverkehrs, gleichzeitig bleiben aber vielfältige Herausforderungen bestehen. Um die Sicherheit im Straßenverkehr zu erhöhen, ist grundsätzlich die Rücksicht aller gefragt. Und bereits zwei Drittel der geplanten Maßnahmen aus dem Radverkehrsentwicklungsplan des Landkreises Marburg-Biedenkopf befinden sich in der Umsetzung oder sind fertiggestellt. Das und mehr waren die wichtigsten Themen der jüngsten Radverkehrskonferenz des Landkreises.
„Der Stärkung des Radverkehrs kommt im Landkreis Marburg-Biedenkopf eine große Bedeutung zu. Unsere Radverkehrskonferenzen sind dabei ein wichtiges Mittel, um regelmäßig und transparent über den aktuellen Stand und Neuigkeiten zum Thema Fahrrad zu informieren“, machte Landrat Jens Womelsdorf deutlich. Maßgeblich für die konsequente Förderung des Radverkehrs sei der Radverkehrsentwicklungsplan (RVEP) des Landkreises.
Auf vielen Wegen zum Ziel – Aktueller Stand zum Radverkehrsentwicklungsplan
Über den aktuellen Sachstand dieses Entwicklungsplanes informierte Sebastian Grimm vom Fachteam für Radverkehr des Kreises. So seien von den insgesamt 68 Maßnahmen, für die der Landkreis als sogenannter Baulastträger direkt verantwortlich und zuständig ist, bereits zwei Drittel in der Bearbeitung oder gar fertiggestellt. Detaillierte Informationen zu den Maßnahmen und jeweiligen Planungsständen im RVEP gibt es im Geoportal des Landkreises unter marburg-biedenkopf.de/rvep.
Der Lastenradverleih des Landkreises sei auch im zweiten Jahr seit Projektstart gut angenommen worden, berichtete Grimm weiter. Die insgesamt fünf zur Verfügung stehenden Räder an unterschiedlichen Standorten seien 2023 bislang 432 Mal gebucht worden, zurückgelegt wurden dann damit insgesamt 31.020 Kilometer. Buchen lassen sich die Lastenräder online unter https://freie-lasten.org.
Auch die „Bike-Ride-Offensive“ sprach Grimm an. Bei diesem Projekt arbeitet der Kreis zusammen mit der Deutschen Bahn und den Kommunen zusammen, um die Radinfrastruktur an den Bahnhöfen im Kreis zu verbessern, insbesondere über die Einrichtung von Abstellanlagen für Fahrräder.
Und um umfangreiche Daten über den Radverkehr zu sammeln, hat der Kreis weitere 19 Standorte für Radzählstellen im Kreis zur Installation angemeldet. Die Zusage dafür durch das Land steht noch aus. Bereits 16 eigene solcher Zählstellen hat der Landkreis in Betrieb.
Experten beleuchten Straßenverkehrsordnung aus verschiedenen Perspektiven
Was es für ein gutes Miteinander im Straßenverkehr braucht und welche Rolle dabei die Straßenverkehrsordnung spielt, stand bei einer Podiumsdiskussion im Fokus der Konferenz. Zu Gast waren Experten aus unterschiedlichen Institutionen, die das Thema aus vielfältigen Perspektiven beleuchteten. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Veranstaltung hatten außerdem vor Ort und digital die Möglichkeit, mit den Experten ins Gespräch zu kommen.
Die Straßenverkehrsordnung soll mit regelmäßigen Änderungen Schritt für Schritt fahrradfreundlicher werden. So finden sich in der aktuell gültigen Fassung von 2020/2021 fahrradfreundliche Regelungen wie zum Beispiel Fahrradzonen oder den genau festgelegten Sicherheitsabstand von 1,5 Metern, den Autofahrende innerorts beim Überholen von Radfahrenden beachten müssen. Ein weiteres Beispiel ist außerdem das generelle Halteverbot auf Fahrrad-Schutzstreifen. Dennoch bleiben gerade für Radfahrende noch etliche Herausforderungen weiter bestehen, so die Meinung einiger der geladenen Experten.
Matthias J. Tögel vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) Marburg-Biedenkopf merkte beispielsweise an, die Straßenverkehrsordnung sei weiterhin noch sehr stark auf den Autoverkehr bezogen. Hier gelte es, ganzheitlicher zu denken. Gleichzeitig sei es wichtig, Kriterien wie Gesundheit, Klima- und Umweltschutz sowie die städtebauliche Entwicklung noch stärker zu berücksichtigen.
Alexander Gardyan von der IKS Mobilitätsplanung Kassel merkte an, dass Ortsdurchfahrten als Hauptverkehrsstraßen gleichzeitig auch die Hauptachsen für den Radverkehr seien. Diese Straßen seien allerdings oft historisch gewachsen sowie eng und verwinkelt. Gleichzeitig müssen alle Verkehrsteilnehmenden dort Platz finden. Das Problem: Trotzdem könne eine Temporeduzierung auf diesen Straßen häufig nicht einfach unkompliziert angeordnet werden, auch wenn bekannt sei, dass auch Radfahrende diese Straßen häufig nutzen. Dadurch könne aber keine ausreichende Sicherheit für den Radverkehr in diesen Bereichen geschaffen werden. In diesem Punkt sei der ländliche Raum noch ein „blinder Fleck“ in der StVO.
Tobias Decher vom Regionalen Verkehrsdienst der Polizeidirektion Marburg ging hauptsächlich auf den Aspekt der Rücksichtnahme ein: Auffällig sei immer wieder, dass die Selbstreflektion der Verkehrsteilnehmenden grundsätzlich nicht sehr stark ausgeprägt sei, eigene Fehler in der Regel also kaum wahrgenommen würden. Insgesamt wäre schon viel erreicht, wenn sich im Verkehr alle an den ersten Paragraphen der Verkehrsordnung halten würden. Darin heißt es unter anderem: „Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht“.
Olaf Hausmann, Bürgermeister der Stadt Kirchhain, und Hannah Duschek haben die Radverkehrskonferenz moderiert. Weitere Informationen und Einzelheiten zum Engagement des Kreises für das Fahrrad sowie den aktuellen Radverkehrsbericht des Landkreises gibt es unter mein-marburg-biedenkopf.de/radverkehrsentwicklung.