Marburg-Biedenkopf – Das Naturschutzgebiet „Unter der Waschbach“ bei Amöneburg ist ein bedeutender Ort für die Artenvielfalt in der Region. Denn dort finden seltene und gefährdete Pflanzen und Tiere ein Zuhause. Deshalb hat der Landkreis Marburg-Biedenkopf die Fläche auch als Naturschutzgebiet ausgewiesen, um diese Lebensräume langfristig zu sichern.
Denn ein Naturschutzgebiet ist nach dem Bundesnaturschutzgesetz ein rechtsverbindlich festgelegtes Gebiet, in dem Natur und Landschaft besonders geschützt werden. Der Erhalt, die Entwicklung oder Wiederherstellung von Lebensräumen bestimmter Tier- und Pflanzenarten haben dort oberste Priorität. Hier überwiegt der Schutz der Natur vor allen anderen Nutzungsmöglichkeiten der Fläche, sofern dies zur Erreichung des Schutzziels erforderlich ist. Aufgestellte grüne Schilder im Naturschutzgebiet „Unter der Waschbach“ weisen zudem auf wichtige Verhaltensregeln hin: Darunter auf den Wegen zu bleiben, Hunde an der Leine zu führen, Tiere und Pflanzen unversehrt und ungestört in ihrem natürlichen Lebensraum zu belassen und im Schutzgebiet auf störende Freizeitaktivitäten wie Lagern, Zelten oder Feuer machen zu verzichten.
„Unter der Waschbach“ hat herausragende Stellung als Heimat für Pflanzen und Tiere
„Der Erhalt der Artenvielfalt, zu der sich der Landkreis Marburg-Biedenkopf im Rahmen der Hessischen Biodiversitätsstrategie bekennt, ist durch die Ausweisung in diesem Gebiet langfristig gesichert“, betont Landrat Jens Womelsdorf. Die Flächen seien auch ein Ausgangspunkt, um seltene Arten in der Umgebung wieder anzusiedeln.
Im Naturschutzgebiet in Amöneburg findet sich eine ganze Bandbreite an selten gewordenen Lebensräumen für Pflanzen und Tiere. Darunter Streuobstwiesen, Amphibientümpel, Feuchtwiesen mit hohem Wasseranteil und ein artenreicher Quellsumpf. Räume zum Wachsen für seltene Pflanzen wie die gefährdeten Orchideenarten Breitblättriges Knabenkraut und die Sumpf-Stendelwurz. Auch der Sumpf-Dreizack, der Teufelsabbiss und das Schmalblättrige Wollgras sind hier zu finden.
Eine landes- und bundesweit herausragende Stellung nimmt das Naturschutzgebiet aber auch wegen des breiten Spektrums der Tierarten ein, die dort ein Zuhause gefunden haben. Elf Heuschrecken-Arten, davon sind fünf hessenweit gefährdet, 13 Tagfalter-Arten und Kleinsäuger wie die Garten- oder Siebenschläfer sind dort anzutreffen. Aber auch Amphibien, Reptilien und Vogelarten wie der Steinkauz, der Grün- und Buntspecht sowie zahlreiche Fledermausarten leben in dem 4,4 Hektar großen Gebiet. Damit ist das Naturschutzgebiet größer als sechs Fußballfelder. Claus Neckermann vom Planungsbüro Neckermann-Achterholt für ökologische Gutachten betonte, dass Gebiet habe hessen- und bundesweit eine Leitbildfunktion wegen seiner Artenvielfalt und der guten Zusammenarbeit zwischen allen Akteurinnen und Akteuren, die sich um das Naturschutzgebiet kümmern.
Auch ein ganz besonderer Baum ist mit dem Naturschutzgebiet verwurzelt: Dort steht ein etwa 200 Jahre alter Feldahorn mit einem Stammumfang von rund 350 Zentimetern. Mit 15 Metern weist der Baum zudem eine beeindruckende Höhe auf. Die Untere Naturschutzbehörde des Landkreises hat den Baum deshalb auch als Naturdenkmal ausgewiesen, um ihn langfristig zu erhalten.
Untere Naturschutzbehörde arbeitet mit Landwirten und Tierhaltern zusammen
Damit das Gebiet langfristig eine Heimat für seltene Tier- und Pflanzenarten bleibt, untersuchen Mitarbeitende vom Fachdienst Naturschutz des Landkreises regelmäßig, ob die Pflegearbeiten erfolgreich sind. Die notwendigen Arbeiten stimmen sie dabei auch mit den Landwirtinnen und Landwirten sowie Tierhalterinnen und -haltern vor Ort ab.
So wird der nasse Quellsumpf dort im Juni nicht mit Maschinen sondern per Hand gemäht, die sogenannte Handmahd. Denn die Mahd mit Maschinen auf so nassen Flächen würde die Wiesenflächen schwer beschädigen. Die trockeneren Bereiche können wiederum mit dem Schlepper gemäht werden, das Heu nutzt ein ortsansässiger Landwirt.
Eine Heidschnucken-Herde beweidet das Naturschutzgebiet, um die Streuobstwiese kümmert sich das Naturschutz-InfoZentrum Amöneburg (NIZA).
„Das ist auch ein schönes Beispiel für die Zusammenarbeit verschiedener Akteurinnen und Akteure für den Naturschutz“ machte Landrat Jens Womelsdorf deutlich. Auch Amöneburgs Bürgermeister Michael Plettenberg lobte die gute Zusammenarbeit mit der Unteren Naturschutzbehörde des Kreises und allen Beteiligten.
Für die Verwertung des Obstes im Naturschutzgebiet ist auch gesorgt: Freiwillige Helferinnen und Helfer übernehmen Patenschaften für die Obstbäume und pflegen sie. Das Obst dürfen sie dafür zum Verzehr mitnehmen.
Aktuell gibt es in Deutschland übrigens 8.833 Naturschutzgebiete, das sind 6,3 Prozent der Gesamtfläche. In Hessen sind es 763 und damit 1,7 Prozent der Gesamtfläche. 1927 wurde das erste Naturschutzgebiet „Amöneburg“ im Gebiet des heutigen Landkreises Marburg-Biedenkopf ausgewiesen und ist damit eines der ältesten in Hessen.