Marburg-Biedenkopf – Der Landkreis Marburg-Biedenkopf gibt seinem Sprecher-Projekt für Geflüchtete neuen Schwung: Nachdem die Corona-Pandemie auch hier zu Einschränkungen führte, haben Geflüchtete mittlerweile wieder Sprecherinnen und Sprecher für ihre Gemeinschaftsunterkünfte gewählt.
Während ihres noch laufenden Asylverfahrens leben Geflüchtete im Landkreis Marburg-Biedenkopf häufig in Gemeinschaftsunterkünften. Aktuell wohnen in insgesamt 80 Unterkünften jeweils zehn bis 60 Menschen in allen Teilen des Kreises. Damit sie vor Ort eine eigene Stimme bei der Vertretung ihrer Interessen haben, hatte der Landkreis bereits 2016 das „Sprecher-Projekt“ gestartet.
Ziel des in Deutschland in dieser Form einmaligen Projektes ist es, Geflüchtete dazu zu motivieren, ihre Interessen in der Gemeinschaftsunterkunft und in ihrer unmittelbaren Umgebung zu reflektieren, zu äußern und mit anderen zu verhandeln. Hierzu werden jährlich Sprecherinnen und Sprecher gewählt, die diese Aufgabe für ihre jeweilige Unterkunft ehrenamtlich übernehmen.
„Diese Wahlen sind bei den Bewohnerinnen und Bewohnern der Gemeinschaftsunterkünfte sehr gut angekommen“, sagte der Erste Kreisbeigeordnete Marian Zachow. „Miteinanderkultur bedeutet für uns, Menschen echte Teilhabechancen zu eröffnen. Und gerade weil viele Geflüchtete aus undemokratischen und totalitären Systemen stammen, ist es uns wichtig, dass sie demokratische Strukturen nicht nur lernen, sondern konkret erleben können. Und dazu gehört auch, dass auch Geflüchtete mit Ihren Anliegen Gehör finden“, erläuterte der Erste Kreisbeigeordnete.
Die Gewählten sollen die Wünsche und Anregungen der Geflüchteten aufnehmen und bündeln. Dabei sollen sie auch die Belange derjenigen, die sich selbst nicht äußern, aufgreifen und vertreten. Sie können Hausversammlungen abhalten und Absprachen mit hauptberuflichen und ehrenamtlichen Ansprechpersonen, wie etwa den betreuenden Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern, treffen.
„Pandemiebedingt war es zwischenzeitlich in dem Projekt ruhiger zugegangen. Zwar standen gewählte Vertreterinnen und Vertreter weiter in Kontakt mit den Betreuenden. Dennoch war Vieles nur eingeschränkt möglich“, berichtet Felicitas Menges vom Büro für Integration. Mittlerweile aber habe das Team das Sprecher-Projekt bereits in einigen Unterkünften vorstellen und auch schon wieder Wahlen organisieren können. „In Gladenbach, Ebsdorfergrund und in Kirchhain gab es aktuell bereits wieder Wahlen. Weitere werden folgen“, freut sich Menges.
Das Büro für Integration organisiert das Projekt und betreut die Sprecherinnen und Sprecher gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen des Fachdienstes Teilhabe und Sozialdienst Zuwanderung des Fachbereichs Integration und Arbeit der Kreisverwaltung. Aktuell wird das Projekt in weiteren Unterkünften vorgestellt und zu Wahlen eingeladen. Nach Abschluss der Wahlen im Oktober werden sich die neuen Sprecherinnen und Sprecher zum gemeinsamen Kennenlernen und Austausch treffen. Hieran sollen sich dann auch monatliche Austausch- und Feedbackgespräche und Fortbildungen anschließen.