Marburg-Biedenkopf/ Vogelsberg – Eine Reaktivierung der Ohmtalbahn für den Personenverkehr ist grundsätzlich machbar und sinnvoll. Zu diesem Schluss kommt das Gutachterbüro Ederlog, das kürzlich eine entsprechende Vorstudie vorgestellt hat.
Die Gutachter kamen zu dem Ergebnis, dass die Option einer Reaktivierung für den Personenverkehr gewahrt und dementsprechend die Trasse erhalten und nicht unwiederbringlich überbaut werden sollte. Begründet wird dies mit dem Potential der möglichen Reaktivierung.
Hessen verfüge seit Ende der 70 Jahre des vergangenen Jahrhunderts mit der Vogelsbergbahn Gießen-Fulda über nur eine einzige Ost-West-Verbindung auf der Schiene. Mit der Reaktivierung der Ohmtalbahn ließe sich diese Verbindung bis nach Marburg, oder sogar darüber hinaus, direkt ergänzen. Allein auf der Strecke Marburg-Kassel ließe sich damit ein direkter Weg schaffen, Umstiege über Kassel oder Gießen würden vermieden und letztlich die Reisezeit um bis zu 30 Minuten verkürzt werden.
„Damit kämen wir bereits auf dieser Strecke zu Fahrzeiten, die tatsächlich mit dem Individualverkehr auf der Straße konkurrieren und mehr Menschen zum Umstieg in die Bahn motivieren könnten“, sagte der Erste Kreisbeigeordnete des Landkreises Marburg-Biedenkopf, Marian Zachow. Grundsätzlich ließe sich das Angebot für die Menschen in den Oberzentren und Universitäts- beziehungsweise Hochschulstädten Marburg, Gießen, Fulda und Bad Hersfeld sowie in die Mittelzentren Kirchhain, Alsfeld und Lauterbach verbessern.
Und auch über die Region hinaus hätte das Projekt Auswirkungen. So geht die Vorstudie davon aus, mit der Reaktivierung verbundene Streckenführungen von Fulda über Gießen, Limburg bis nach Koblenz oder über Marburg, Erndtebrück bis nach Siegen auch in der Lage seien, die B62, A 5 und B49 zu entlasten. „Und das ist das was wir brauchen. Das ist ein Baustein für die anstehende Mobilitätswende und damit zugleich für die notwendige Klimawende. Mit dem Gelingen dieses Projekts, erfüllen wir das Gebot der Stunde“, sagte Zachow.
Bis dahin braucht es allerdings noch einiges an Vorarbeiten. Denn neben den Möglichkeiten weist die Vorstudie auch auf noch zu klärende Fragen hin. So müssten Gleisverläufe und Bahnübergängen wiederhergestellt und der bauliche Zustand von Brücken bewertet werden. Zudem seien Abschnitte der Trasse zwischenzeitlich verkauft und mancherorten gar bereits anderweitig verplant worden.
„Das sind in der Tat Herausforderungen. Allerdings sollten diese für uns zum Gegenwärtigen Zeitpunkt keine Haltesignale darstellen. Vielmehr wollen wir jetzt schauen, welche Weichen wir gemeinsam stellen können, um zu einem sinnvollen, guten, Ergebnis zu kommen“, sind sich Marian Zachow und der Vogelsberger Landrat Manfred Görig einig. Hierzu seien weitere, vertiefende, Machbarkeits- und Kosten-/Nutzen-Untersuchungen notwendig. Gegenwärtig werden die Kosten auf etwa 30 Millionen Euro geschätzt.
Der weitere Fahrplan setzt zunächst voraus, dass die die zuständigen Gremien der Kreise und anliegenden Kommunen ein grundsätzliches Interesse zur Weiterverfolgung des Projektes zeigen. „Sollten wir ein positives Votum seitens der Gremien bekommen, treten wir mit dem Vorhaben an den Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV) und an das Land heran, um die Ohmtalbahn in die Liste der hessischen Reaktivierungsvorhaben aufnehmen und weitergehend prüfen zu lassen“, sagte Görig. Dann könne das Projekt Ohmtalbahn weiter an Fahrt aufnehmen: das Einverständnis der Politik vorausgesetzt, könnte beispielsweise eine Machbarkeitsstudie bereits im kommenden Jahr angegangen werden.
Hintergrund
Die Ohmtalbahn verband die Main-Weser-Bahn Kassel–Frankfurt mit der Vogelsbergbahn Gießen–Fulda. Der Personenverkehr wurde bereits 1980 auf der Gesamtstrecke, der Güterverkehr 1991 zwischen den Bahnhöfen Nieder Ofleiden, Anschluss des Steinbruchs der Mitteldeutschen Hartstein Industrie (MHI) und Burg- und Nieder Gemünden eingestellt.
Auf dem verbliebenen Streckenabschnitt zwischen Nieder Ofleiden MHI und Kirchhain erfuhr der Güterverkehr eine kontinuierliche Weiterentwicklung. Heute wird nahezu das Fünffache des Frachtaufkommens gegenüber der Zeit um 1980 transportiert. Dieser Streckenabschnitt gehört unverändert zum Netz der Deutschen Bahn.
Die Untersuchung in Auftrag gegeben hatten die Nahverkehrsorganisationen des Landkreises Marburg-Biedenkopf und des Vogelsbergkreises, RNV Marburg- Biedenkopf und ZOV-Verkehr, im vergangenen Jahr. Vorgestellt wurden die ersten Ergebnisse nun Spitzenvertretern der beiden Kreise sowie der anliegenden Städte und Gemeinden.