Marburg-Biedenkopf – Ein altes Herbergsschild aus Biedenkopf ist das Exponat des Monats September im Hinterlandmuseum im Schloss Biedenkopf. Das Schild wies wandernde Gesellen auf eine Übernachtungsstätte hin. Ausnahmsweise ist das Exponat schon ab dem 29. August, dem Museumssonntag Marburg-Biedenkopf, zu sehen.
Eine mehrjährige Wanderschaft, wie sie heute nur bei wenigen Handwerken wie den Zimmerleuten üblich ist, gehörte früher zwingend zur Ausbildung der Gesellen und war Voraussetzung für den Erwerb des Meistertitels. Die Zünfte reglementierten dieses Gesellenwandern und unterhielten zum Teil eigene Übernachtungsstätten.
So auch in Biedenkopf, wie das beidseitig bearbeitete Messingschild belegt. „Roht und Weisz Gerber Herberg 1805“ ist auf einem Spruchband eingraviert, darüber erscheinen als Zunftwappen zwei Löwen mit Streicheisen und Scherdegen, dazwischen ein Gerberbock. Auf dem hölzernen Gerberbock wurden die mit Salz und Wasser vorbehandelten Felle aufgespannt, um mit dem Streicheisen das Fett und mit dem Scherdegen die Haare zu entfernen. Der anschließende Gerbprozess der Häute dauerte etwa zwölf Monate.
In Biedenkopf zählten die Gerber zu den ältesten Zünften. Zahlenmäßig überwogen die Rotgerber, die kräftiges Leder, etwa für Schuhe, herstellten. Anders die Weißgerber, die feineres Leder, beispielsweise für Handschuhe, produzierten. In den Jahrzehnten um 1800 erlebten die Handwerke eine Blütezeit. 1812 wird Biedenkopf als eine von nur 20 Ausbildungsstätten für Weißgerber im deutschsprachigen Raum genannt. Zehn Jahre später war die Stadt der bedeutendste Gerberstandort in Oberhessen.
Für die wandernden Gesellen wurden 1810 im Großherzogtum Hessen Wanderbücher als eine Art Reisepass vorgeschrieben. Führung und Kontrolle dieser Bücher waren Gegenstand zahlreicher Verordnungen. Im ebenfalls gezeigten großherzoglich-hessischen Regierungsblatt von 1830 wird unter anderem die Einreise der Wandergesellen geregelt.
Zum Motto „Über Stock und Stein“ des Museumssonntags können sich Interessierte im Raum der Arbeits- und Industriekultur des Museums zudem über andere Formen des arbeitsbedingten Ortswechsels informieren: die Saisonarbeit und die Arbeitsmigration. Um 15:00 Uhr findet hierzu an diesem Tag eine Führung durch das Museum statt. Eine vorherige Anmeldung, unter der Telefonnummer 06461 92-4652 oder per E-Mail an hinterlandmuseummarburg-biedenkopfde, ist erforderlich. Am Museumssonntag gelten die üblichen Öffnungszeiten des Museums.
Das Hinterlandmuseum hat dienstags bis sonntags von 10:00 bis 18:00 Uhr unter den entsprechend geltenden Hygiene-Regeln geöffnet.