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Pressemitteilung 483/2021

18.08.2021

Im Aufgabenverbund für soziale Teilhabe – Jugendberufshilfe von Stadt und Landkreis bereitet „Wege in die Zukunft“


Gemeinsame Pressemitteilung der Universitätsstadt Marburg und des Landkreises Marburg-Biedenkopf


Die Geschwister Asma Maz und Habib Ali Syed gewannen dank der Jugendberufshilfe eine Orientierung im deutschen Schulsystem.

Marburg. Nicht immer läuft es geradlinig am Übergang von Schule in einen Beruf. Jeder Weg an diesem Übergang bringt einige Herausforderungen mit sich, vor allem auch wenn die Sprache eine Barriere darstellt. Die Jugendberufshilfe von Stadt und Landkreis steht jungen Menschen zwischen 12 und einschließlich 26 Jahren bei diesem Übergang zur Seite – als ein Beitrag zur Sicherstellung sozialer Teilhabe. 

„Der Übergang Schule-Beruf ist nicht nur geprägt von der Weichenstellung zur beruflichen Zukunft“, sagt Marburgs Stadträtin Kirsten Dinnebier. Die Jugend- und Bildungsdezernentin führt dies näher aus: „In dieser Lebensphase beschäftigen sich junge Menschen mit Fragen wie ‚Wer bin ich und wie will ich sein? Wo gehöre ich hin und zu wem dazu?‘. Diese Phase ist somit ein Balanceakt zwischen dem Finden subjektiver Freiheit und sozialer Zugehörigkeit sowie der Übernahme von Verantwortung für sich und als Mitglied der Gesellschaft.“ Aufgabe der Jugendhilfe sei es dabei, diejenigen Jugendlichen dabei zu unterstützen, die auf wenig familiäre Unterstützung zurückgreifen können, und so einen Beitrag zur Sicherstellung der sozialen Teilhabe zu leisten. 

Während dieser Phase steht die Jugendberufshilfe von Stadt und Landkreis jungen Menschen zwischen 12 und 26 Jahren offen. Sie ist in einem Aufgabenverbund der Stadt Marburg und des Landkreises Marburg-Biedenkopf tätig und wirkt aktiv im regionalen Netzwerk zur „Optimierung der lokalen Vermittlungsarbeit im Übergang Schule-Beruf“ (OloV) mit. Ziel der hessenweiten OloV-Strategie ist es, die Qualität der Prozesse im Übergang Schule-Beruf zu sichern. 

„Eine optimale Vernetzung der Akteurinnen und Akteure auf dem Ausbildungsmarkt in Abstimmung mit den Unterstützungsangeboten der Jugendhilfe in unserer Region ist uns ein großes Anliegen“, sagt Landrätin Kirsten Fründt. Neben dieser Vernetzung sei auch die Sprache ein Schlüssel zum Erfolg bei der Unterstützung junger Menschen. „Mögliche sprachliche Barrieren abzubauen ist ganz entscheidend, damit sich die jungen Menschen voll entfalten können. Zumal sie gerade auch vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels und der älter werdenden Bevölkerung in Gegenwart und Zukunft eine wichtige Rolle auf dem Arbeitsmarkt spielen werden“, so die Landrätin. 

Die Beratung kann in den Räumen des Kreisjobcenters oder den Außenstellen des Landkreises stattfinden, aber auch an anderen individuell vereinbarten Orten. Die Kolleg*innen der Beratungsstelle sind je nach Wohnort der jungen Menschen direkt für die Anliegen und Fragen der Ratsuchenden da. „Mit viel Kreativität schauen wir dann gemeinsam, was bei der Klärung der Frage und der Suche nach Orientierung helfen kann. Dies kann auch bei einem Gang zu einem potentiellen Arbeitgeber passieren – oder bei einem Spaziergang“, berichtet Rosa Fink, pädagogische Fachkraft und Begleiterin. Sie ist eine von fünf Fachkräften der beiden Jugendberufshilfen. 

Manche Jugendliche benötigen Unterstützung bei der Suche nach Sprachschulen, wie zum Beispiel Rayan Kattan. Die inzwischen 21-Jährige befindet sich im ersten Lehrjahr ihrer Ausbildung zur Zahnarztassistentin und macht nebenbei ihren Führerschein. Dass die Sprache eine der schwierigsten Barrieren ist, berichten auch andere. „Ich war immer gut in Mathematik. Aber hier ist es schwierig zu zeigen, was ich kann, da alle Fächer auf Deutsch unterrichtet werden und die Noten immer am Verständnis der Sprache hängen“, berichtet Habib Ali Syed. „Auch wenn ich alle Rechenwege kenne, muss ich erst einmal die Aufgabe verstehen, damit ich weiß, was ich ausrechnen soll. Die Sprache zu lernen war daher am Anfang das Wichtigste für mich“, ergänzt der 18-Jährige. 

Seine Schwester, Asma Maz Syed, berichtet zudem von weiteren Startschwierigkeiten: „Ich war auf der Hauptschule und wusste am Anfang gar nicht, was das eigentlich bedeutet, und wofür die anderen Schulformen da sind.“ Es habe ihr sehr geholfen, dass sie durch eine Fachkraft der Jugendberufshilfe erst einmal das deutsche Schulsystem erklärt bekommen hat. Die 19-Jährige hat inzwischen ihren qualifizierenden Realschulabschluss bestanden und nimmt jetzt ihr Fachabitur in Angriff. Im Anschluss daran möchte sie IT studieren. 

Weitere Ratsuchende brauchen eher Hilfe bei Bewerbungen. Yavuz Evdem hat ebenfalls einen qualifizierenden Realschulabschluss erreicht und schließt demnächst das Fachabitur an. Er möchte soziale Arbeit studieren und jungen Menschen zur Seite stehen – so wie er von der Jugendberufshilfe unterstützt wurde. „Frau Fink hat mir dabei geholfen, einen Job zu finden. Außerdem hat sie mich in der Kommunikation mit meiner Familie unterstützt, wenn es um meine berufliche Zukunft ging“, erinnert sich der 18-Jährige.  

Andere Jugendliche wünschen sich beispielsweise die Begleitung zu einer Praktikumsstelle oder die gemeinsame Kontaktaufnahme zu einem möglichen Arbeitgeber beziehungsweise zu einer möglichen Arbeitgeberin. „Der Fokus liegt auf dem Tempo der Jugendlichen“, sagt die Pädagogin Katja Schirmbeck. Es sei wichtig, dass die jungen Menschen die nötigen Schritte aus eigener Kraft gehen. Denn die Erfahrung habe gezeigt, dass Lösungen, die nicht von der oder dem Jugendlichen selbst entwickelt wurden, auf lange Sicht oft nicht erfolgsversprechend sind. Entscheidend sei die Beziehungsarbeit und das große Vertrauen zueinander. Daher wurde auch während der gesamten Corona-Pandemie der persönliche Kontakt angeboten und aufrechterhalten. 

„Eine besondere Herausforderung ist es, eine gute Balance zwischen der Funktion als Helfer*in und der Hilfe zur Selbsthilfe zu finden. Die Jugendlichen und jungen Erwachsenen sollen wissen, dass sie bei uns ein Netz haben, dass sie auffängt und ihnen hilft“, erläutert Nancy Bartholomes, Fachdienstleiterin der Jugendförderung des Kreises. „Auf der anderen Seite sollen sie mit der Zeit lernen, dass sie sich mehr und mehr auch auf sich selbst und nicht nur auf andere verlassen können, damit sie selbstständiger werden und uns mit der Zeit nicht mehr brauchen.“ Nur so könne die Hilfe nachhaltig wirken. 

Diese vertrauensvolle Bindung zwischen Begleitenden und Ratsuchenden ist unter anderem auch deshalb so wichtig, weil nicht alle Jugendlichen auf die Unterstützung der Eltern zurückgreifen können. So ist es beispielsweise einem 20-Jährigen gegangen, der im Alter von 15 Jahren als Geflüchteter mit seinem Onkel nach Deutschland kam, der aber kurz darauf verstarb. Inzwischen besitzt der junge Mann einen Hauptschulabschluss und befindet sich bereits im zweiten Ausbildungsjahr zum Zahntechniker. Ihm hat die Jugendberufshilfe bei Bewerbungen geholfen und Kontakt zu Ausbildungsstellen aufgenommen.   


Hintergrund:

Die Jugendberufshilfe ist ein Baustein des Programms „JUGEND STÄRKEN im Quartier“ (JUSTiQ) des Europäischen Sozialfonds (ESF). Neben dem ESF fördert das Programm auch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) und das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI). JUSTiQ unterstützt 178 Modellkommunen bundesweit dabei, Angebote für junge Menschen auf Grundlage von § 13 SGB VIII (Jugendsozialarbeit) zu erproben. Auch in Pandemiezeiten wurde das Beratungsangebot der Stadt und des Landkreises aufrechterhalten. Vernetzt ist das Team der Jugendberufshilfe mit vielen anderen Institutionen, etwa Schulen, der Agentur für Arbeit und Beratungsstellen. Gemeinsam mit den Ratsuchenden wird überlegt und besprochen, wer zu bestimmten Fragestellungen Antworten geben kann. Die Jugendberufshilfe hat dabei eine Art Vermittlungs- und Lotsenposition zwischen den Angebots- und Hilfsstellen inne. Sie bietet eine ganzheitliche Beratung und Unterstützung auch bei psychischen Problemen, Suchtproblematiken, schwierigen Familiensituationen und Sprachbarrieren an. Die Jugendberufshilfe fängt jene auf, bei denen die anderen Hilfs- und Beratungsangebote am Übergang Schule-Beruf nicht greifen. Sie soll die vorhandenen Angebote ergänzen, jedoch die Arbeit und Kompetenzfelder des Kreisjobcenters, der Agentur für Arbeit oder anderer Beratungsstellen nicht ersetzen. Auch Eltern können eingebunden werden, soweit das die jeweiligen Jugendlichen beziehungsweise jungen Erwachsenen möchten. Selbstverständlich obliegt alles, was in der Beratung besprochen wird, der Schweigepflicht.


Kontakte zur Jugendberufshilfe:

Jugendberufshilfe der Universitätsstadt Marburg
Fachbereich Kinder, Jugend und Familie
Koordination: Friedrichstraße 36
Telefon: (06421) 201-1113
Beratung: Raiffeisenstraße 6
Telefon: (06421) 405 - 7234 oder - 7173
E-Mail: jugendberufshilfemarburg-stadtde

Jugendberufshilfe des Landkreises Marburg-Biedenkopf
Fachbereich Familie, Jugend und Soziales, Fachdienst Jugendförderung
Fachdienstleitung Nancy Bartholomes
Im Lichtenholz 60, 35043 Marburg
Telefon: (06421) 405 – 1313
Beratungsstandorte: Marburg, Biedenkopf und Stadtallendorf
Telefon: (06421) 405 - 7170, (06461) 79 - 3164 und (06428) 447 - 2126
E-Mail: jbhmarburg-biedenkopfde

Die Beraterinnen Rosa Fink (l.) und Katja Schirmbeck beraten junge Menschen zwischen 12 und einschließlich 26 Jahren im Rahmen der Jugendberufshilfe.
In der Beratung können drinnen wie draußen alle möglichen Fragen und Probleme besprochen werden. Hier sind Rosa Fink und Yavuz Evdem im Gespräch.

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