Marburg-Biedenkopf – Mitglieder des Gebietsagrarausschusses und des Naturschutzbeirats haben den „Feldtag“ dazu genutzt, sich gemeinsam mit Landrätin Kirsten Fründt und Mitarbeitenden der Kreisverwaltung ein neuartiges Druschverfahren im Praxistest anzuschauen. Das Verfahren dient dazu, mit einem speziell umgebauten Mähdrescher Wildkräutersamen während des Dreschvorgangs heraus zu sieben.
Im Rahmen der Unterstützung und Förderung der Biodiversität im Landkreis Marburg-Biedenkopf untersucht der Landkreis zusammen mit der Universität Gießen seit 2019 die Auswirkungen dieses neuartigen Druschverfahrens auf die neben den angebauten Feldfrüchten natürlicherweise auf einem Acker gewachsenen Pflanzen, die man als Ackerbegleitflora – umgangssprachlich auch Unkraut – bezeichnet. Das Ziel dieses Projekt ist es, den Unkrautdruck beziehungsweise Wildkrautdruck auf die landwirtschaftlichen Flächen durch diese Mähdrusch-Technik zu verringern.
„Dieses Projekt ist ein weiterer wichtiger Baustein des Landkreises in seinem Bemühen, die Biodiversität in unserer Region zu fördern und zu bewahren“, erläuterte Kirsten Fründt den Teilnehmenden.
„Ackerwildkräuter und -gräser gehören heute zu der am stärksten gefährdeten Artengruppe in Mitteleuropa“, erklärte Professor Dr. Rainer Waldhardt vom Institut für Landschaftsökologie und Ressourcenmanagement der Universität Gießen. Früher weit verbreitete Arten würden immer seltener. Sie seien speziell an die Lebensbedingungen auf Äckern angepasst und benötigen eine regelmäßige Bodenbearbeitung. Da sie aber in unmittelbarer Konkurrenz zu den Kulturpflanzen stehen, würden sie heute entweder chemisch oder mechanisch bekämpft.
„Bei herkömmlichen Verfahren werden die Unkrautsamen gemeinsam mit der Spreu und Strohresten beim Dreschvorgang wieder auf den Acker ausgebracht. Durch die Entwicklung der neuen Druschtechnik und im Hinblick auf die Eindämmung von landwirtschaftlichen Problemkräutern könnte diese neue Technik helfen, die Menge der Ackerkräuter auf dem Feld zu verringern“, erklärte Heidrun Hess-Mittelstädt vom Fachbereich Ländlicher Raum und Verbraucherschutz des Kreises. Mit der neuen Technik könnten bei konventionell bewirtschafteten Ackerflächen Pflanzenschutzmittel eingespart werden. Aber auch Ökobetrieben könnte diese Methode durchaus Vorteile bringen, indem Arbeitsgänge für eine mechanische Unkrautbekämpfung eingespart werden.
Während des Druschdurchgangs werden die Wildkrautsamen mit Hilfe einer an einen handelsüblichen Mähdrescher montierbaren Auffangvorrichtung aufgefangen und landen so erst gar nicht wieder auf der gerade abgeernteten Ackerfläche. Die Samen können stattdessen, wenn dies gewünscht ist, an anderer Stelle wieder ausgesät werden.
Hiervon wiederum könnten viele Tierarten profitieren, wie zum Beispiel Insekten und Vögel, für die die Ackerwildkräuter als Lebensraum und Nahrungsquelle gelten. Unter ihnen befinden sich auch einige Nützlinge, die neben der Bestäuberleistung auch für die biologische Schädlingsbekämpfung bedeutsam sind. Und nicht zuletzt sind sie historische Zeugen alter bäuerlicher Kultur.
Als weiterer Kooperationspartner konnte neben der Universität Gießen die Raiffeisen Waren GmbH gewonnen werden, die den Mähdrescher für die dreijährige Projektlaufzeit bereitstellt. Auch das Bundesamt für Naturschutz unterstützt das Projekt mit Mitteln des Bundesumweltministeriums, um die Entwicklungs- und Umbauarbeiten sowie die wissenschaftliche Begleituntersuchung zu finanzieren. Die Projektidee lieferte Alfred Wagner.
Für die Demonstration der neuen Technik im Rahmen des Feldtages stellte der Betrieb Ulrich Zick eine mit Wintergerste bestellte Fläche in der Gemarkung Fronhausen zur Verfügung. Insgesamt haben sich neun landwirtschaftliche Betriebe bereit erklärt, das Projekt zu unterstützen und Ackerflächen zur Verfügung zu stellen.