Marburg. „Was kann ich tun, wenn ich die Diagnose Krebs erhalte? Wo gibt es Hilfe und Anlaufstellen, wenn ein geliebter Mensch erkrankt ist?“ – Anlässlich des Weltkrebstags am 4. Februar haben die Stadt Marburg und der Landkreis Marburg-Biedenkopf den Aktionstag „Aktiv gegen Krebs“ veranstaltet. Im Marburger Cineplex-Kino informierten sich zahlreiche Besucher*innen an Ständen von Institutionen und Selbsthilfegruppen zum Thema, sahen den Film „Das Beste kommt zum Schluss“ und suchten das Gespräch mit Expert*innen.
Rund eine halbe Million Menschen erhält in Deutschland pro Jahr die Diagnose Krebs. Und auch wenn die Erkrankung heutzutage in vielen Fällen behandelt und sogar geheilt werden kann – „Jeder Krebs ist ein fundamentaler Einschnitt in die Lebensgeschichte“, betonte Marburgs Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies zur Eröffnung des Aktionstages im Cineplex. Als er Kind war, sei die Diagnose gleichbedeutend gewesen mit „Du bist tot – vielleicht nicht sofort, aber bald“, erinnerte sich Spies. Heute sei, gerade in Marburg, die Behandlung von erkanntem Krebs auf ganz hohem Niveau möglich.
Damit Krebs so früh wie möglich erkannt wird, sollten mehr Menschen die Möglichkeiten der Vorsorge nutzen, sagte der Oberbürgermeister, der selbst auch Mediziner ist. Es gehe aber auch darum, sich mit der Endlichkeit des Lebens auseinanderzusetzen – zum Beispiel bezogen auf das Thema Organspende. Und das sei gelassener möglich, wenn sich damit beschäftigt werde, während es einem noch gut geht. Spies verdeutlichte außerdem, dass Krebs und andere schwere Erkrankungen nicht nur den jeweils Erkrankten, sondern alle im alltäglichen Leben betreffen. Deshalb sei es elementar wichtig, einander unter die Arme zu greifen.
Landrätin Kirsten Fründt betonte, dass das Angebot, das beim Aktionstag „Aktiv gegen Krebs“ präsentiert wird, sich nicht auf diesen Tag beschränke. „Wir haben hier im Landkreis ein Netzwerk für Betroffene, das wunderbar funktioniert“, so die Landrätin. Landkreise und Kommunen haben nicht nur den Auftrag, zu informieren oder bei Notlagen in Aktion zu treten, auch Prävention und Vorbeugung seien ein großes Thema. Fründt rief die Menschen ebenfalls dazu auf, zur Krebsvorsorge zu gehen, um eine Erkrankung so möglichst früh erkennen und damit möglichst gut behandeln zu können.
Die Eröffnung fand im voll besetzten Kinosaal des Cineplex-Kinos statt, wo der Film „Das Beste kommt zum Schluss“ mit Jack Nicholson und Morgan Freeman gezeigt wurde. Beide Protagonisten sind an Krebs erkrankt und wollen der Zeit, die ihnen bleibt, noch einmal alles abtrotzen – ein Wunsch, mit dem Ärzte auch in der Realität häufig konfrontiert sind, wie Professor Dr. Thomas Wündisch, Leiter des Marburger Anneliese-Pohl-Krebszentrums, während der anschließenden Expert*innenrunde bestätigte. Dabei gehe es allerdings häufig um weniger spektakuläre Dinge als im Film, die Patient*innen gern noch erleben möchten.
Unabhängig davon, ob es um die grundsätzlichen Heilungschancen gehe oder die Frage, ob ein Familienfest noch mitgefeiert werden könne – „wir müssen immer ehrlich sein mit den Patienten“, sagte Professor Wündisch. Er beschrieb, dass es je nach Krebsart und dem Stadium der Erkrankung verschiedene Behandlungswege gibt. Neben der medizinischen Behandlung sei auch die psychologische Betreuung – von Patient*innen ebenso wie von Angehörigen – wichtig. Die Krankheit bringe große Belastungen auf verschiedenen Ebenen mit sich, von emotionalen Krisen bis hin zu finanziellen Problemen.
Welche Möglichkeiten es für Menschen gibt, bei denen eine Heilung ausgeschlossen ist, erläuterte Birgit Thomé, Koordinatorin der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung Marburg. Die Betroffenen sollen mit Hilfe der Palliativversorgung zuhause oder im Pflegeheim noch ein möglichst hohes Maß an Lebensqualität erleben können. Der niedergelassene Mediziner Dr. Hans-Albrecht Oehler, der Spezialist für Palliativmedizin ist, erklärte, dass es dabei zum Beispiel darum gehe, Schmerzzufriedenheit zu erreichen oder Symptome wie Atemnot, Schwindel oder Verdauungsbeschwerden zu lindern.
In der Runde der Expert*innen saß auch ein Ehepaar, das als Patient beziehungsweise als Angehörige von Krebs betroffen war. Horst Wahl erkrankte vor sieben Jahren. „Es war wie ein Schlag ins Gesicht“, erinnerte er sich an die Diagnose. Seine Frau Angela erfuhr diese Diagnose am Telefon, als sie im Auto auf dem Weg ins Krankenhaus war. Sie habe immer gedacht, sie würde dann in Ohnmacht fallen, erzählte sie. „Aber ich bin nicht in Ohnmacht gefallen, ich habe funktioniert – man schaltet den Autopilot ein“, so Angela Wahl. Ihr habe sehr geholfen, dass sie sich von den Ärzten auch menschlich angenommen gefühlt habe. „Das ist ein wichtiger Punkt, den Ärzte nicht vergessen sollten.“
Moderiert wurde die Runde der Expert*innen von Petra Gebhardt-Charis vom Arbeitskreis Onkologie. Das Gremium, in dem Klinikärzt*innen und niedergelassene Mediziner*innen ebenso wie Vertreter*innen von Selbsthilfegruppen und Krankenkassen gemeinsam aktiv sind, war für die Veranstaltung „Aktiv gegen Krebs“ verantwortlich. Angesichts der halben Million Menschen, die pro Jahr neu an Krebs erkranken, sei es besonders wichtig zu schauen, was vorbeugend getan werden könne, betonte Gebhardt-Charis. Krebs sei nicht immer heilbar. In jedem Fall gehe es aber darum, sich Hilfe zu suchen. Welche Angebote es gibt, das sollte der Aktionstag einmal mehr in die Öffentlichkeit tragen.