Marburg-Biedenkopf – Die Region rund um Biedenkopf ist ein erfolgreicher und international vernetzter Wirtschaftsraum. Um diese Position ausbauen und bewahren zu können, bedarf es einer leistungsfähigen Infrastruktur auf Straße und Schiene. Für die Wirtschaft wird die Erreichbarkeit auf der Schiene im Personen- und Güterverkehr immer wichtiger. Daher appellieren regionale Politik und heimische Wirtschaft gemeinsam an die Deutsche Bahn AG, hier frühzeitig die Weichen zu stellen, um diesen Aspekt der Verkehrsinfrastruktur nachhaltig entwickeln zu können.
Ihre Argumente haben Politik und Wirtschaft in einem Brief an die Deutsche Bahn AG zusammengefasst. Unterschrieben vom Ersten Kreisbeigeordneten Marian Zachow, den Bürgermeistern Joachim Thiemig (Biedenkopf) und Christoph Felkl (Breidenbach), von der Industrie-und Handelskammer (IHK) Lahn-Dill, von der Firma Christmann & Pfeifer, der Firma Mercer Holz sowie von der Buderus Guss GmbH. Im Fokus der gemeinsamen Initiative stehen die Ertüchtigung der Bahnstrecke zwischen Cölbe und Wallau sowie der Erhalt der Strecke zum Holzverladepunkt Breidenstein zwischen Biedenkopf und Breidenbach. Zudem haben die Akteure eine Machbarkeitsstudie auf den Weg gebracht, um die Chancen für einen so genannten Rail-Port, also einen Logistikstandort als Schnittstelle zwischen Straße und Schiene, auszuloten.
„In Sachen Personenverkehr auf der Schiene hat sich in den vergangenen Jahren schon viel bewegt“, stellte der Erste Kreisbeigeordnete Marian Zachow am Mittwoch in Biedenkopf fest. Die Kurhessenbahn als Tochter der Deutschen Bahn AG habe die Verkehrsanbindung in unserer Region weiterentwickelt und die Qualität der Schieneninfrastruktur verbessert. „Lag noch vor 20 Jahren die Bahnstrecke zwischen Wallau und Cölbe nahezu in einem Dornröschenschlaf hat die Modernisierung der Strecke und auch die Gestaltung der Haltestellen dazu beigetragen, dass der Schienenverkehr im Hinterland gleichermaßen einen Bedeutungs- wie einen Kundenzuwachs erfahren hat“, unterstrich Marian Zachow.
Jetzt gehe es darum, den Anschluss nicht zu verlieren. „Aktuell sind wir in einer Situation, in der die Strecke an ihre technischen Grenzen stößt. Wegen fehlender moderner Funktechnik und fehlender Überholmöglichkeiten ist eine Nutzungssteigerung kaum möglich“, stellte der Erste Kreisbeigeordnete fest. Noch schwieriger sei es, wegen der aktuell gegebenen technischen Ausstattung Güterverkehr auf die Schiene zu bringen.
Eine Gelegenheit, die dringend von der Wirtschaft benötigt werde, waren sich die unterzeichnenden Unternehmer einig. Christian von Itzenplitz von der Mercer Holz GmbH wies darauf hin, dass in den vergangenen Jahren immer mehr Holzverladestellen abgebaut worden seien. Fehlende Kapazitäten, die einerseits internationalen Unternehmen den Zugang zum Rohstoff Holz und anderseits den regionalen Waldbesitzern den Zugang zum Markt erschwerten.
Gerhard Pfeifer von der Buderus Guss erklärte, dass angesichts von bis zu 200.000 Tonnen an Rohstoffen die in das Werk gelangen und etwa 170.000 Tonnen an Produkten die das Werk pro Jahr wieder verließen, sei die Schiene ein wesentlicher wirtschaftlicher Faktor für das produzierende Gewerbe. Einig war er sich dabei mit Rolf Heinecke von der Christmann und Pfeifer GmbH & CO KG. Das gelte insbesondere, da es sich aus seiner Sicht bei den Möglichkeiten in Bezug zur Schiene um relativ einfach und schnell umzusetzende Maßnahmen handele. Im Gegensatz zu dem „was für die Straße vorgesehen ist“, so Heinecke.
Daher appellieren Zachow sowie die Bürgermeister Joachim Thiemig (Biedenkopf) und Christoph Felkl (Breidenbach) im Gleichklang mit den Vertretern der Wirtschaft an die Bahn, diese Strecke schnell, zeitnah und umfassend zu ertüchtigen: Ausstattung mit den erforderlichen modernen Funksystemen sowie Prüfung, ob die Schaffung weiterer Ausweichmöglichkeiten möglich ist.
Auch eine jüngst vorgelegte Untersuchung von „Railistics“ bescheinigt dem Schienengüterverkehr hohes Entwicklungspotential, das nicht auf die Städte und Gemeinden entlang der Main-Weser-Bahn begrenzt ist. Vielmehr zeichnen sich demnach große Chancen auch für die Burgwaldbahn und insbesondere auch für die Lahntalbahn ab, sofern diese entsprechend technisch ertüchtigt ist.
Auch einen weiteren Aspekt greifen Politik und Wirtschaft in diesem Zuge auf: Die Absicht, den letzten verbliebenen Streckenabschnitt der ehemaligen Scheldetalbahn zwischen Wallau und dem Holzverladepunkt Breidenstein aufzugeben. Auch hier richtet sich der Appell an die Bahn, diese Pläne zu überdenken und zurückzustellen. „Für uns, die Kommunen und die Unternehmen, bietet dieser Streckenabschnitt große Potentiale, die zumindest näher untersucht werden müssen“, unterstrichen Zachow, Thiemig, Felkl und die Wirtschaftsvertreter. Auf keinen Fall sollten hier Fakten geschaffen werden, die später Handlungsspielräume und Chancen rauben würden. Einen entsprechenden Beschluss hat auch der Kreistag des Landkreises Marburg-Biedenkopf im März gefasst.
Politik und Wirtschaft sind sich darüber im Klaren, dass sowohl die Streckenertüchtigung als auch der Erhalt des Streckenabschnittes zwischen Wallau und Breidenstein erhebliche Investitionen erfordern. Gleichwohl spreche ein Dutzend guter Gründe dafür: Stärkung und Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs auf der Schiene; ein Beitrag für den Klimaschutz durch Verlagerung von Güterverkehr von der Straße auf die Schiene; geringere Verkehrsbelastungen auf der Straße – und damit Entlastungen der Menschen in der Region; mehr Umsteiger vom Auto auf die Schiene bei einem entsprechenden Haltepunktenetz und einer guten Verkehrstaktung – und damit höhere Fahrgastzahlen; positiver Einfluss auf die Liefer- und Logistikketten der Unternehmen durch eine leistungsfähige Güterverkehrsanbindung – und damit wirtschaftliches Entwicklungspotential; Erschließung von Wirtschafts-und Verkehrsräumen in der Nachbarregion Siegen-Wittgenstein; positive Transport- und Logistikeffekte auf den prosperierenden Holztransport aus der Region; positive Effekte auf ansässige Unternehmen, die vorhandene Gleisanschlüsse auf dem Firmengelände erhalten haben; sinnvolle Transport- und Logistikoptionen in einer Größenordnung von mehreren Zehntausend Jahrestonnen für die Automobil-Zulieferindustrie in Breidenbach; positive Effekte auf die Entwicklung eines interkommunalen Gewerbeparks der Kommunen Biedenkopf und Breidenbach; Möglichkeit, einen für die Bevölkerung er- und verträglichen Logistikpunkt für die Holzverladung zu schaffen; Möglichkeit, einen zentralen Railport für die Unternehmen zu schaffen, um den Wirtschaftsstandort zu stärken und zu fördern
Zeitgleich mit diesem Appell an die Bahn haben die Akteure die ersten Schritte zur Beauftragung einer Machbarkeitsskizze für einen „Railport Breidenstein“, der sowohl der Holzverladung als auch der Verladung von Roh- und Fertigprodukten wie vielleicht auch dem kombinierten Verkehr dienen soll, gemacht. Durch ein Fachbüro soll ausgelotet werden ob und wie ein solcher Railport denkbar ist, ob der Standort Breidenstein dafür geeignet ist und sich für ein solches Projekt Fördergelder gewinnen ließen.
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