Marburg-Biedenkopf – Wie wichtig Früherkennung bei der Behandlung von Lungen- und Blasenkrebs ist, haben die Experten beim dritten Aktionstag „Aktiv gegen Krebs“ in Gladenbach des Arbeitskreises Onkologie deutlich gemacht. Je früher ein Karzinom erkannt werde, desto besser seien die Heilungschancen, lautete ihr Fazit.
„Therapie und Lebensprognose hängen ganz klar vom Tumorstadium ab“, erklärte Dr. Angélique Holland, Leiterin der pneumologischen Endoskopie am Universitätsklinikum Gießen-Marburg (UKGM). Werde der Tumor früh erkannt und sei noch entsprechend klein, reiche mitunter eine einfache Operation um das befallene Gewebe zu entfernen. Dabei zeigte sie den Zuhörern ihres Vortrags, was sie beim Verdacht auf Lungenkrebs erwartet: Um einen Krebs-Verdacht zu bestätigen, werde zunächst ein bildgebendes Verfahren eingesetzt, um den möglichen Tumor sichtbar zu machen. „Das verrät allerdings noch nichts darüber, ob es ein bösartiger Tumor und welcher Art er ist“, so Holland. Dafür müssten mit Hilfe eines Endoskops, das in die Bronchien eingeführt werde, eine Probe des Gewebes entnommen werden.
Dass 65 Prozent der Lungenkarzinome nicht mehr operabel sind, liegt laut Thorax-Chirurg Dr. Christian Meyer vor allem daran, dass sie zu spät erkannt werden. „Leider gibt es in Deutschland, im Gegensatz etwa zu Darmkrebs, keine Früherkennungsprogramme für Lungenkrebs“, betonte er. Hoffnung mache aber eine derzeit laufende Studie, wonach sich Lungenkrebs womöglich an der ausgeatmeten Luft feststellen lassen könnte. Sollte sich das bestätigen, wäre das ein Durchbruch für die Früherkennung, glaubt Meyer.
Ist der Tumor hingegen soweit fortgeschritten und hat bereits Metastasen gebildet, dass keine Operation mehr in Frage kommt, bleibe nur eine palliative Behandlung mit Medikamenten, erklärte Dr. Charis Faoro, Oberärztin an der Onkologie des UKGM Marburg. Bis in die 80er Jahre hinein habe es quasi keine wirkliche Therapie bei Lungenkrebs im fortgeschrittenen Stadium gegeben. Die Überlebensrate lag damals dementsprechend bei nur wenigen Monaten. Durch die Immuntherapie, für die zwei Wissenschaftler in diesem Jahr mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurden, sei es mittlerweile gelungen, die Überlebenszeit auf zwei bis drei Jahre auszudehnen.
Neben den Vorträgen konnten sich die Besucher des Aktionstages auf einem Markt der Möglichkeiten umfassend über das Thema Lungen- und Blasenkrebs informieren. Hier fanden sie etwa Infostände von Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen oder auch einen Stand zur Rauchentwöhnung, worüber Heike Vetter und Dr. Timm Greulich einen weiteren Vortrag hielten. Denn rund 80 Prozent aller Bronchialkarzinome entstehen als Folge des Rauchens. Erfreulich sei es dabei immerhin, dass der Zigarettenkonsum unter den Jugendlichen sinke. Trotzdem sei hier noch sehr viel Präventionsarbeit nötig, stellten Helmut Fleischer und Jörg Schneider von der Selbsthilfegruppe der Kehlkopfoperierten in Mittelhessen fest. Sie sind viel an Schulen unterwegs, um den Jugendlichen dort vor Augen zu führen, welche Folgen Zigarettenkonsum haben kann. Allein der blecherne Klang ihrer Stimmmodulatoren setzt dabei bei vielen Schülern einen Denkprozess in Gang. Neben den traditionellen Zigaretten seien neuerdings aber auch die E-Zigaretten ein großes Übel, betonte Helmut Fleischer. Denn leider wisse niemand genau, welche Substanzen in den Flüssigkeiten enthalten seien. Das böse Erwachen folge dann erst in ein paar Jahren, wenn sich die Folgen offenbarten.
Zu den ausgestellten Exponaten des Aktionstages zählte auch ein begehbares Lungenmodell, das den Besuchern die Anatomie und Funktion des Organs verdeutlichte. Am Nachmittag folgten weitere Fachvorträge zum Thema Blasenkrebs sowie kleine Bewegungsangebote etwa der Rudolf-Klapp-Schule für Physiotherapie, die dabei helfen sollen, die Funktion der Lunge zu erhalten.
Stichwort Arbeitskreis Onkologie:
Der Arbeitskreis Onkologie besteht aus Vertretern von Kliniken, niedergelassenen Ärzten, Beratungsstellen, Selbsthilfegruppen, Krankenkassen, dem hessischen Krebsregister und dem Fachbereich Gesundheitsamt des Landkreises Marburg-Biedenkopf. Er hat das Ziel, die einzelnen Institutionen im Landkreis und der Stadt Marburg untereinander noch stärker zu vernetzen sowie die Bevölkerung im Landkreis Marburg-Biedenkopf über Krebserkrankungen und vorhandene Angebote zur Bewältigung der Krebserkrankung aufzuklären.
Ansprechpartnerin beim Gesundheitsamt ist die Ärztin Petra Gebhardt-Charis, Telefon: 06421 405-4143, E-Mail: gesundheitsamtmarburg-biedenkopfde.
Hintergrund: Krebs
In Deutschland gibt es jährlich insgesamt 228.300 Krebsneuerkrankungen bei der Frau und 255.300 Krebsneuerkrankungen beim Mann. Der Lungenkrebs ist laut Robert-Koch-Institut die zweithäufigste Krebserkrankung des Mannes mit jährlich 35.100 Neuerkrankungen und die dritthäufigste Krebserkrankung der Frau mit 17.600 Neuerkrankungen pro Jahr.