Marburg-Biedenkopf – Erst 2014 war Hiyabu Seid in die Bundesrepublik geflüchtet. Im Dezember 2015 begann der heute 37-jährige aus Eritrea eine von der Agentur für Arbeit geförderte Einstiegsqualifizierung bei der KRUG Gruppe. Mittlerweile ist er nach Abschluss seiner Ausbildung zum Verfahrenstechniker fester Teil der Belegschaft. Vertreter der KRUG Firmen Gruppe, des Landkreises Marburg-Biedenkopf, der Universitätsstadt Marburg und der Agentur für Arbeit haben die Erfolgsgeschichte seines Integrationsweges nachgezeichnet.
In diesem Zusammenhang hat sich der Erste Beigeordnete des Landkreises Marburg-Biedenkopf, Marian Zachow, die aktuellen Zahlen in Bezug zur Integration von Geflüchteten in den Arbeitsmarkt im Landkreis genauer angesehen. Demnach sei die Erfolgsquote im bundes- und landesvergleich überdurchschnittlich hoch. Im Dezember vergangenen Jahres waren im bundesdurchschnitt 60,4 Prozent der Geflüchteten sozialversicherungspflichtig beschäftigt. In Hessen traf dies nur auf 49,5 Prozent der Geflüchteten zu, im Landkreis Marburg-Biedenkopf waren es allerdings 69,5 Prozent. Zwischen dem Januar 2017 und Juli 2018 sei die Zahl der Eintritte in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung sogar von 160 auf 823 gestiegen – das entspricht einer Steigerung von 514 Prozent. Allerdings gelte, dass in diesem Zeitraum „eine Person mehrere Eintritte in den Arbeitsmarkt getan haben kann“, erläutert Zachow die Statistik. Die 823 Eintritte dürfe man folglich nicht mit 823 Kunden gleichsetzen.
Jedoch seien von insgesamt etwa 2.200 Kunden im besagten Zeitraum etwa 37 Prozent in Arbeit gekommen. Die Statistik zeige, dass der Arbeitsmarkt aufnahmefähig ist und Geflüchtete gebraucht würden. „Die Integration von Geflüchteten in den Arbeitsmarkt gelingt“, sagte Zachow. Er hofft, dass das Beispiel Hiyabu Seids Schule macht und mehr Geflüchtete zum Facharbeiter ausgebildet oder anderweitig nachqualifiziert werden können.
Lars Kolbe, der Kaufmännischer Leiter der Firma KRUG, berichtet, dass Seid das erste Ausbildungsjahr sogar überspringen konnte, da er außerordentlich hoch motiviert und lernbereit gewesen sei. „Seine Lehrer an den Beruflichen Schulen Biedenkopf haben diesen Sprung ausdrücklich unterstützt“, betonte Kolbe. In seinem Heimatland Eritrea konnte Seid zwar die mittlere Reife, aber keine berufliche Ausbildung abschließen. Er selbst führt seinen Erfolg bei KRUG auf die guten Lehrer, das Unternehmen und seine Motivation zurück.
Lars Kolbe will das Modell fortsetzen, um weitere Fachkräfte zu gewinnen. Bisher gäbe es aber kaum Bewerbungen. Zudem hofft er, dass sich andere Unternehmen aus dem Hinterland an den Ausbildungsprogrammen oder Nachqualifizierungen im Landkreis beteiligen. Bisher seien die Ausbildungsklassen zu klein und damit auf Dauer teuer.
Wieland Stötzel, Bürgermeister der Universitätsstadt Marburg, stimmt mit Marian Zachow darin überein, dass es sinnvoller sei, Menschen die bleiben, berufliche Chancen und so die Möglichkeit auf ein selbstständiges Leben zu ermöglichen. „Das Handwerk und die Industrie brauchen diese Menschen händeringend“, sagte Stötzel. Die Universitätsstadt werde weiterhin alle Projekte zur Integration von Geflüchteten unterstützen und ihren Beitrag dazu leisten.
Für den Leiter der Agentur für Arbeit Marburg Volker Breustedt ist klar: „Das Erfolgsrezept lag in dem unbürokratischen Zusammenwirken von Agentur für Arbeit, dem Landkreis und der Stadt Marburg, plus die Beteiligung von Beschäftigungsträgern wie der Praxis GmbH oder der Integral GmbH“. Die Zuständigkeiten seien pragmatischer als in anderen Landkreises gelöst worden.
Je nach Status des Geflüchteten seien unterschiedliche Behörden zuständig. Bei der Ankunft im Landkreis übernehme zunächst die Abteilung Asyl, die die Unterbringung, Sprachkurse oder auch die Anerkennung von Berufsabschlüssen kläre. Kommt es zu einer Anerkennung als Flüchtling übernimmt das KreisJobCenter (KJC) die Zuständigkeit. In Marburg-Biedenkopf koordiniert das im Oktober 2016 gegründete Team Migration diesen Übergang. „In unserem gemeinsamen Arbeitsmarktbüro haben wir die Möglichkeit, übergreifend zu arbeiten“, sagt Joachim Hikade, der stellvertretende Leiter des Fachbereichs Integration und Arbeit, der zentralen Anlaufstelle in Bezug zu Arbeitsgenehmigungen, der Arbeitssuche und -vermittlung, Förderung der Arbeitsaufnahme sowie hinsichtlich einer Qualifizierung und Anerkennung von Abschlüssen.
„Man kann von einer „Behörden-WG“ sprechen, die sich gezielt um jeden Einzelfall kümmert“, sagte Zachow. „Das hilft nicht nur den Geflüchteten sondern auch den ehrenamtlichen Helfern, wenn es darum geht klare Verfahrenswege aufzuzeigen“.