Marburg-Biedenkopf – Als einer der ersten Kreise in Deutschland entwickelt der Landkreis Marburg-Biedenkopf derzeit ein Nachhaltigkeitskonzept. Vertreter der Kreisverwaltung haben jetzt die Vorgehensweise und Inhalte erörtert und gemeinsam mit Bürgerinnen und Bürgern und Vertretern der Kreispolitik diskutiert.
Die Bedürfnisse der Gegenwart zu befriedigen, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht mehr befriedigen können – diese Definition der Vereinten Nationen der Nachhaltigkeit sei auch „die Grundlage des eigenen Konzepts für den Landkreis“, sagte Landrätin Kirsten Fründt. Hierauf wolle man gemeinsam aufbauen und konkrete Antworten für den Landkreis Marburg-Biedenkopf finden. Auf die Landkreisverwaltung übertragen heiße das zum Beispiel den Einkauf von Büromaterial an Nachhaltigkeitskriterien auszurichten und ausschließlich recyceltes Druckpapier zu verwenden.
Der bisherige Konzeptentwurf gliedere sich in die fünf Bereiche „Glück, Gesundheit und Zusammenhalt fördern“, „Regionale Wirtschaft für die Zukunft stärken“, „Natürliche Lebensgrundlagen erhalten“, „Agile und verlässliche Kreisverwaltung“ sowie „Politik gemeinsam gestalten“, erläuterte Heike Wagner, Leiterin des Fachbereichs Ländlicher Raum und Verbraucherschutz. Anhand dieser Themenfelder wolle man einen sozialen, gesunden und sicheren Landkreis entwickeln, in dem alle Menschen aktiv am politischen, sozialen und kulturellen Leben teilnehmen.
Auf Grundlage dieser Aspekte diskutierten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer anschließend in mehreren Arbeitsgruppen die Inhalte mit Vertreterinnen und Vertretern der Kreisverwaltung und brachten hierbei selbst Themen, Herausforderungen und Lösungswege ein. Im Bereich Klimaschutz und Energie sprachen sich die Teilnehmenden beispielsweise dafür aus Plastik-Verpackungen zu vermeiden, Photovoltaik-Anlagen auf öffentlichen Dachflächen zu errichten oder günstigere Jahreskarten für den Öffentlichen Personen Nahverkehr einzuführen.
In einem weiteren Wirkungsfeld wurde das Stärken der regionalen Wirtschaft für die Zukunft thematisiert. Durch die Förderung regionaler Direktvermarkter von Produkten aus dem Landkreis, so ein Teilnehmer, solle die Wertschöpfung in der Region stattfinden. Das beinhalte, dass die Herstellung, über den Vertrieb bis zum Verkauf des Produkts in der Region erreicht werden solle.
Gewinnorientiertes und nachhaltiges Wirtschaften müssen keine Widersprüche sein. Der Landkreis unterstützt in diesen Zusammenhang bereits die RegioApp, mit der Verbraucher sich über Direktvermarkter aus der Region informieren können. Bisher nehmen 30 Unternehmen daran teil.
Zum Abschluss bewerteten die Anwesenden, welches aus ihrer Sicht die relevantesten Themen für eine nachhaltige Entwicklung des Landkreises sind. Das Ergebnis: die fünf Wirkungsfelder sind eine gute Grundlage für die weiteren Schritte. Besonders starkes Interesse an Umweltthemen, an ländlicher Entwicklung, an der Berücksichtigung von Sozial- und Umweltkriterien in Beschaffung und Vergabe der Kreisverwaltung sowie an Engagement und Beteiligung der Menschen im Landkreis.
Die Workshop-Teilnehmenden ergänzten darüber hinaus das gemeinwohlorientierte Wirtschaften als weiteres wichtiges Thema. Gemeinwohl-Wirtschaft oder -Ökonomie sind Wirtschaftsmodelle, die eine Orientierung der Wirtschaft am Gemeinwohl und Gemeinwesen in den Vordergrund stellen. Anhand von Kriterien wie Menschenwürde, Solidarität und Gerechtigkeit, ökologische Nachhaltigkeit, Transparenz und Mitentscheidung können Unternehmen eine sogenannte Gemeinwohl-Bilanz erstellen. Auch Zertifizierungen oder Nachhaltigkeitsberichte können Unternehmen, Banken, Vereine und andere Institutionen nutzen, um ihre Gemeinwohlorientierung zu dokumentieren.
HINTERGRUND
Der Kreistag hatte den Kreisausschuss mit der Erstellung eines Nachhaltigkeitskonzepts beauftragt. Ziel ist ein integriertes und modellhaftes Konzept einer nachhaltigen, sozialverträglichen und gemeinwohlorientierten Entwicklung des Landkreises. Besondere Berücksichtigung finden sollen dabei das Beschaffungs- und Vergabewesen der Kreisverwaltung und die regionale Wertschöpfung. Grundlage dieses Konzepts soll eine Bestandsaufnahme all der Aktivitäten sein, die seitens der Kreisverwaltung in den oben genannten Bereichen bereits stattfinden.
Die Dialogveranstaltung folgte als weiterer Schritt in einem mehrstufigen Beteiligungsverfahren, nach dem zu Beginn des Jahres bereits Gremien des Landkreises zur Gewichtung der wesentlichen Themen befragt wurden. Die Menschen im Landkreis konnten sich an einer Online-Befragung und einer Umfrage auf der Oberhessenschau beteiligen. Das Konzept basiert auf den Sustainable Development Goals, also den 17 Zielen für Nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen.
Im Nachgang der Veranstaltung werden nun die Ergebnisse der Diskussionen im Detail ausgewertet und in den bestehenden Entwurf des Nachhaltigkeitskonzepts eingearbeitet. Das vollständige Konzept soll dann im zweiten Dialogforum Nachhaltigkeit am 6. September 2018 mit den Bürgerinnen und Bürgern diskutiert werden. Weitere Informationen unter: www.mein-marburg-biedenkopf.de (Öffnet in einem neuen Tab).