Marburg-Biedenkopf – Invasive Pflanzen und Tiere, die also eigentlich aus fremden Gebieten stammen und heimische Arten verdrängen, können zu einer Gefahr für die heimische Natur werden. Vor diesem Hintergrund informiert der Landkreis Marburg-Biedenkopf mit seiner Unteren Naturschutzbehörde über Herausforderungen und Handlungsmöglichkeiten.
Ein Beispiel für eine invasive Art ist der Riesen-Bärenklau – eine giftige Pflanze, die mittlerweile in ganz Hessen verbreitet ist und auch in Marburg-Biedenkopf vorkommt. Die Ausbreitung der Pflanze war daher auch in der jüngsten Sitzung des Kreistages im Juli Thema. Die invasive Art gilt auch in Hessen bereits als so verbreitet, dass ein Zurückdrängen nicht mehr möglich ist. Ziel ist daher, die weitere Ausbreitung soweit wie möglich zu verhindern: Einfuhr, Haltung, Zucht, Transport, Erwerb, Verwendung, Tausch und Freisetzung der Pflanze hat die Europäische Union deshalb verboten.
„An diesem Beispiel zeigt sich gut, dass der Zuwachs an Pflanzen und Tieren in einer Region nicht in jedem Fall auch einen Gewinn für die Natur und Landschaften bedeutet“, macht Katharina Franziska Hof von der Unteren Naturschutzbehörde des Landkreises deutlich.
Denn es gibt Tier- und Pflanzenarten, die nicht auf natürliche Weise in einen bestimmten Lebensraum gelangen, sondern durch den Menschen entweder gezielt oder unabsichtlich dort hineingetragen werden. Unter anderem durch den globalen Handel. Als Beispiele nennt Katharina Franziska Hof hierfür Nilgänse, die früher Parkanlagen bereichern sollten, das Drüsige Springkraut, welches als Zierpflanze für Gärten gedacht war und den Waschbären, der zur Bejagung und Pelzproduktion dienen sollte. Die Asiatische Hornisse hat ihren Weg hingegen über Warenimporte nach Deutschland gefunden.
„Während die Tiere und Pflanzen eines Ökosystems normalerweise miteinander in einem Gleichgewicht stehen, kann eine neue Art, welche nicht an dieses System angepasst ist, dieses Gleichgewicht ins Wanken bringen und sich unter bestimmten Umständen ungehindert ausbreiten. Das wiederum zu Ungunsten der Tiere und Pflanzen, die in dem Gebiet eigentlich heimisch sind“, sagt Hof. Diese gebietsfremden Arten können im schlimmsten Fall konkurrenzschwächere Arten verdrängen, vor allem indem sie deren Lebensräume und Nahrungsquellen beanspruchen und so natürliche Lebensgemeinschaften stören. Gerade wenn natürliche Feinde fehlen, steigt die Wahrscheinlichkeit einer starken Ausbreitung von invasiven Arten.
Der Grund, dass gebietsfremde Pflanzen zu einem Problem werden können, hängt zudem mit den besonderen Stoffen zusammen, die manche Pflanze produziert: Sie bilden als Schutz- und Abwehrmechanismus Stoffe, die wiederum andere Pflanzen daran hindern, sich zu stark in einem Gebiet auszubreiten. Befindet sich eine Pflanze nun aber in einem neuen Naturraum, in welchem Stoffe fehlen, die ihren Bestand regulieren, ist eine stärke Ausbreitung die Folge. Zudem kann eine Pflanze, die sich in ihrem ursprünglichen Verbreitungsgebiet ohne weitere Probleme in das Ökosystem einfügt, in einem anderen Naturraum durch die von ihr produzierten Stoffe die Entwicklung gebietsheimischer Pflanzen negativ beeinflussen und somit in diesem Gebiet invasiv werden.
Invasive Arten können also gerade deshalb problematisch sein, weil sie die Artenvielfalt gefährden. Diese Vielfalt werde aber wegen der klimatischen Veränderungen und dem fortschreitenden Schwund an Arten immer wichtiger, betont Hof.
Pflanzenarten wie der Riesen-Bärenklau, der Chinesische Götterbaum und die Echte Seidenpflanze können bei einem direkten Kontakt zudem auch Menschen schaden, indem sie Allergien verursachen und die Haut schädigen.
Invasive Arten vermeiden und melden
Die Bekämpfung invasiver Arten bringt durchaus komplexe Herausforderungen mit sich: „Wegen ihrer starken Ausbreitungsfähigkeit können einige Arten bereits nicht mehr ausreichend reguliert und vollständig eingedämmt werden. Es ist daher immer im Einzelfall abzuwägen, ob eine Bekämpfung eines Bestands erforderlich und angemessen ist“, sagt Hof.
Wird beispielsweise der Riesen-Bärenklau im Bereich von stark besuchten Orten wie Kindergärten oder Spielplätzen vorgefunden, liege es an den jeweilig betroffenen Städten und Gemeinden, im Zuge der Gefahrenabwehr vor Ort Gegenmaßnahmen einzuleiten, beispielsweise in dem die Pflanzen entfernt werden.
Auf Naturschutzflächen wiederum schreiten je nach Zuständigkeit für das Gebiet die Untere oder die Obere Naturschutzbehörde ein. Für unsere Region sind das der Landkreis Marburg-Biedenkopf als Untere und das Regierungspräsidium (RP) Gießen als Obere Naturschutzbehörde. Kreis und RP arbeiten dabei auch erfolgreich zusammen: Schritte zur Bekämpfung der Spätblühenden Traubenkirsche auf einer Fläche in Cölbe-Bürgeln hat das RP nach der Meldung dieser invasiven Pflanzenart durch den Landkreis eingeleitet.
Und der Fachbereich Ländlicher Raum und Verbraucherschutz des Kreises bekämpft beispielsweise im Rahmen des „Natura 2000 - Gebietsmanagements“ die Ausbreitung des Riesen-Bärenklaus an Uferflächen im Schutzgebiet „Obere Lahn und Wetschaft“.
Doch im Alltag können alle etwas tun: Wem Bestände invasiver gebietsfremder Arten auffallen, kann diese über die Internetseite des Hessischen Landesamtes für Naturschutz Umwelt und Geologie unter www.hlnug.de melden. Hier finden sich auch entsprechende Beschreibungen der Arten, die ein Erkennen in der Natur erleichtern. Im Zweifel sollten die invasiven Pflanzen aber bei Entdeckung nicht selbst entfernt werden, da sie teilweise giftig und somit schädlich sein können.
Bei der Gartengestaltung (auf) heimische Pflanzen setzen
Viele der als problematisch eingestuften Pflanzen haben ihren Weg als Gartenabfälle in die freie Natur gefunden. „Deshalb ist es wichtig, Pflanzenabfälle, Erde und Grünschnitt ordnungsgemäß über die Biotonne, Erddeponien oder Schnittgutsammelstellen zu entsorgen“, betont Hof.
„Um die Artenvielfalt zu bewahren und zu fördern, ist es wichtig, auch bei der Gestaltung des eigenen Gartens Pflanzensorten zu nehmen, die gut an Klima, Boden und Umweltbedingungen in unserer Region angepasst sind“, unterstreicht Hof und nennt Beispiele: Viele heimische Pflanzenarten wie Besenheide, Lungenkraut, Vergissmeinnicht-, Glockenblumen-, Wicken- und Platterbsen-Arten würden ein ideales Nahrungsangebot für Insekten bieten sowie Beete und Kübel selbst auf Balkonen und Fensterbrettern in bunten Farben erstrahlen lassen.
Hierdurch verhindern aufmerksame Menschen nicht nur eine Verschärfung der beschriebenen Problematik, sondern entgehen auch einer Ordnungswidrigkeit. Invasive Pflanzen und Tiere gezielt in der Natur auszusetzen oder dort einzubringen, ist verboten.